0132 - Wir und der Raketenprofessor
benachrichtigen.«
Ich wartete in dem Zimmer, das ich schon kannte. Wenige Minuten danach erschien Enid.
»Was kann ich für Sie tun, Mr. Decker?«, fragte sie. Ich fand, dass das Mädchen recht schlecht aussah.
Ich lächelte sie an.
»Ich mache Ihnen eigentlich nur einen Höflichkeitsbesuch. Ich habe zufällig in Washington zu tun und wollte mich erkundigen, wie es Ihnen geht.«
»Das ist nett von Ihnen. Wie Sie sich denken können, haben mich die Aufregungen der letzten drei Tage sehr mitgenommen. Morgen ist Vaters Beerdigung und dann hoffe ich, zur Ruhe zu kommen. Wenn nur diesen neugierigen und rücksichtslosen Menschen nicht so aufdringlich wären. Ich gehe schon gar nicht mehr ans Telefon. Mrs. O’Nary sagt jedem, ich sei krank.«
Bevor sie antworten konnte, klopfte es.
»Ja!«, rief sie.
Die Tür öffnete sich. An der Haushälterin vorbei drängte sich eine kleine, schlanke Frau, die nicht viel älter sein konnte als Enid, ins Zimmer. Sie war hellblond mit vielen Löckchen und einem Babygesicht. Sie flatterte herein und fiel Enid, ohne sich um mich zu kümmern, um den Hals.
»Ach, Liebling, es tut mir ja so leid! Ich war drei Tage weg und habe erst heute von der schrecklichen Sache gehört. Dein armer Vater! Ich habe immer gewusst, dass er sich überarbeitet. Ich habe es ihm ja erst neulich gesagt. Erinnerst du dich? Er nahm das alles viel zu ernst. Wie konnte das nur geschehen?«
Enid Burns befreite sich aus der Umarmung und wies auf mich.
»Das ist Mr. Decker!« Sie fügte überflüssigerweise hinzu. »Ein Herr vom FBI.«
Die Besucherin drehte sich mit der Geschwindigkeit eines Kreisels nach mir um, blitzte mich mit ihren leicht geschlitzten, grünen Augen an.
»Oh wie interessant, ein G-man! Ich habe noch nie einen G-man kennengelernt.«
Das ist die Redensart, die ich schon seit undenklichen Zeiten kenne und die anfängt, mir zum Halse rauszuwachsen. Ich komme mir dann immer wieder vor, wie ein seltenes-Tier im Zoo, das von den Menschen angestarrt und kommentiert wird.
Plötzlich war das Interesse der Besucherin für mich schon wieder erloschen.
Sie wandte sich erneut Enid zu und überfiel sie mit neugierigen Fragen. Ich begriff davon nur, dass sie Shirley hieß. Ihren Nachnamen hörte ich nicht und ich wollte ihn auch gar nicht wissen. Nach ungefähr fünf Minuten kam ich mir so überflüssig vor, dass ich mich schnell verabschiedete.
Ich kletterte in meinen Chrysler, den mir die Zentrale wieder zur Verfügung gestellt hatte und trudelte den Columbia Pike hinauf. Oberst Lamont war nicht mehr in seinem Office, aber er hatte die Einladung zur Cocktailparty hinterlassen. Auf dem Washington Boulevard winkte mir jemand zu. Es war Bill Brat, der Redakteur der Washington Post, den ich schon lange kenne und der mich nun freudig begrüßte.
»Was bringt dich an diesen gottverlassenen Platz?«, sagte er lachend. »Ich will zwar nicht behaupten, dass es hier keine Gangster gibt, aber die sind so vornehm und so einflussreich, dass selbst ihr ihnen nichts am Zeug flicken könnt.«
»Vielleicht doch. Wenigstens gebe ich mir die größte Mühe.«
Er runzelte die Stirn und blickte mich von der Seite an.
»Burns?«, fragte er. »Ich dachte, die Sache sei erledigt.«
»Ich kann dir im Vertrauen sagen, mein lieber Bill, dass sie für uns nicht erledigt ist. Ich habe sogar nichts dagegen, wenn du eine derartige Bemerkung in deinem Schandblatt veröffentlichst. Ich begreife überhaupt nicht, wieso die Presse den Fall Burns mit Stillschweigen übergeht.«
»Ja ja, das ist so eine Sache.« Er grinste vieldeutig. »Du weißt doch, Zeitungen gehören entweder sehr reichen Leuten, deren Hobby sie sind, oder die einen politischen Einfluss ausüben wollen. Viele sind auch das Eigentum von Konzernen und deren Direktoren, und alle diese Leute sind Mitglieder derselben Clubs. Natürlich sind alle Blätter scharf auf Neuigkeiten und Sensationen, aber nur solange wie das dem guten Ruf und den Geschäften ihrer Besitzer nicht schadet. Wenn das der Fall ist, so kommt eine Anweisung von oben und der Vorhang fällt. Über den Fall Burns ist der Vorhang gefallen. Burns ist tot, und damit hat sich das.«
»Die großen Herren wollen also die ganze Geschichte totschweigen?«
»Wahrscheinlich. Die Gerüchte und Kombinationen um Burns Erfindung sollen nicht unnötig auf gebauscht werden. Das ist die offizielle Begründung, die man uns gegeben hat.«
»Und wer hat euch die gegeben?«
Brat hob die Schultern und breitete
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