0136 - Die Feuerhexe
umklammert und ließ die Mündung kreisen.
Da traf ein harter Schlag sein rechtes Handgelenk. So überraschend und wuchtig, daß Nick seine Waffe verlor. Sie fiel ihm auf die rechte Schuhspitze, und mit einem Aufschrei sprang er zurück.
»Du hast keine Chance, Nick. Ich werde dich töten!«
Savino starrte auf die Waffe. Dann bückte er sich blitzschnell und wollte sie fassen, doch ein Tritt ins Kreuz schleuderte ihn nach vorn, und er prallte mit dem Kopf gegen das Bein eines Schreibtisches.
»Ich habe dir doch bewiesen, daß es keinen Zweck hat, Nick Savino. Du entkommst nicht.«
Der Dealer erhob sich ächzend. Er stand dicht am Rande eines Anfalls. Vorsichtig schielte er zur Tür. Er mußte hier raus, nur weg, denn in diesem Büro ging es nicht geheuer zu.
Das unbekannte Wesen bemerkte den Blick. Und Nick sah, wie sich der Schlüssel drehte, abgezogen wurde und verschwand.
»Nein!« gurgelte er. »Nein – das darf doch nicht wahr sein. Das – das ist Teufelsspuk!«
»Wie recht du hast, Nick!«
Plötzlich fühlte sich der Dealer am Kragen gepackt und hochgehoben. Er wurde herumgeschleudert und fiel schweratmend auf einen Besucherstuhl, wo er sitzenblieb.
»Deine Uhr ist abgelaufen, Nick!«
Savino wollte aufspringen. Eine Hand drückte ihn zurück. Obwohl er sie nicht sehen konnte, spürte er den Druck und auch die Grabeskälte, die von der Hand ausging.
Schwer lehnte sich Savino nach hinten. Aus ihm war in den letzten Minuten ein gebrochener Mann geworden. Und er fing an, sein Leben zu bereuen.
Indirekt gingen auf sein Konto zahlreiche Morde. Er hatte das Rauschgift weitergegeben, hatte damit gehandelt, war wohlhabend geworden, doch nun schien alles ein Ende zu haben. Etwas Unheimliches hatte ihn eingeholt, etwas, das er nicht erklären konnte, und Nick wurde klar, daß er nicht den Hauch einer Chance mehr besaß.
Trotzdem riß er sich zusammen und fragte: »Wer bist du? Gibt es dich überhaupt?«
»Und ob. Willst du mich sehen?«
»Ja.«
»Dann gib acht.«
Wie festgeleimt hockte Nick auf seinem Stuhl. Plötzlich begann vor ihm die Luft zu flimmern. Ein leichtes Knistern und Knacken war zu hören, bläuliche Konturen schälten sich hervor. Die Umrisse einer Frau – eines Mädchens.
Dann stand sie vor ihm.
Godwina, die Hexe!
Langes, blondes Haar fiel bis auf die Schultern. Das Gesicht war seltsam blaß – leichenblaß, wie Savino meinte. Kein Blut schien durch die Adern zu fließen. Auch die Lippen waren in dem Gesicht kaum zu erkennen, nur die Augen. Sie verströmten eine Kälte, die den Mann schaudern ließ.
Kälte, Haß und Tod!
Die Hexe trug ein einfaches Leinenkleid, das schmutzig aussah und an der Schulter eingerissen war. Ihre Finger waren lang, sie erinnerten den Mann an Spinnenbeine.
»Wer bist du?« hauchte Savino.
»Godwina.«
»Ich kenne dich nicht.«
Die Hexe lachte. »Das glaube ich, aber denk mal 400 Jahre zurück, da kannte man mich.«
Ungläubig schüttelte Nick den Kopf. Die Angst war ein wenig verflogen, er hatte sich wieder gefangen. Und er begann, sich auf die groteske Situation einzustellen.
»Vor 400 Jahren, da habe ich noch nicht gelebt. Wie kann ich schuldig sein?«
»Dein Ahnherr hat hier in London existiert.«
»Was geht mich der an? Den kenne ich überhaupt nicht.«
»Dein Pech. Er hieß auch Nick Savino, genau wie du. Damit sich der Fluch erfüllt, mußt du sterben ebenso wie er.«
»Ich?« schrillte Savino.
»Ja – du!«
Savino schüttelte den Kopf. Schwer saugte er die Luft ein. »Aber ich habe nichts damit zu tun, mein Gott. Ich… ich …«
»Rede dich nicht heraus. Der Fluch muß erfüllt werden. Dein Ahnherr und zwei andere Freunde haben mich damals auf den Scheiterhaufen gestellt und verbrannt. Doch sie wußten nicht, daß mir der Teufel zur Seite stand. Er hat nicht nur die drei Hexenjäger getötet, sondern auch meine Rache geleitet. Der Satan war es, der mich aus dem Zwischenreich geholt hat, damit ich meine Befriedigung bekomme. Und du, Nick Savino, wirst so sterben, wie ich gestorben bin. Durch das Feuer!«
Der Dealer hatte zugehört. Seine Augen quollen weit aus den Höhlen. Er schüttelte den Kopf, denn er konnte nicht fassen, was ihm die Hexe gesagt hatte.
Das gab es doch nicht!
»Bist du bereit?« fragte sie.
»Wozu?«
»Zu sterben!«
Plötzlich lachte Nick auf. »Nein!« keifte er. »Ich bin nicht bereit zu sterben. Ich will nicht sterben und ich werde nicht sterben. Noch nicht, verdammt.« Und er dachte dabei an die beiden
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