0138 - Flucht in die Schädelwelt
des riesigen Schädelmauls ein. Ich blieb zwei Schritte hinter ihm. Hart klopfte mein Herz, denn ich rechnete in dieser Hochburg des Grauens mit dem Schlimmsten…
***
Der riesige Totenschädel glich wirklich einem Labyrinth. Das sah ich schon nach den ersten Schritten.
Zu beiden Seiten des breiten Hauptgangs zweigten mehrere Seitenstollen ab, die tief in das Innere des monströsen Schädels führten.
Ich spürte auch die unheimliche Atmosphäre, die jeden Eindringling auf Schritt und Tritt begleiteten. Hier herrschte das Böse. Mit jeder Faser des Körpers merkte ich dies. Andere Gedanken strömten auf mich ein, wollten in mein Hirn dringen und die eigenen ausschalten. In den Stollen und Nischen schienen noch dunklere Schatten zu lauern, bereit, sofort zuzuschlagen, wenn sich die Gelegenheit bot.
Ich versuchte, meine Angst zu verbergen. Dabei half mir das Kreuz. Es hatte seinen matten Glanz noch nicht verloren. Wenn ich nach unten schielte, erkannte ich die Umrisse sehr deutlich.
Ein Hoffnungsschimmer…
Wir schritten tiefer in den Schädel hinein. Die Decke über uns, vielleicht waren es auch Knochen, wölbte sich zu einem gewaltigen Rundbogen, der durchlöchert war wie Schweizer Käse, denn innerhalb der einzelnen Löcher sah ich das rötliche Glosen.
Ein geheimnisvolles Licht, eine unirdische Beleuchtung, die uns hin und wieder streifte und von der ich annahm, daß sie die schlimmen Gedanken schickte.
Der Gang wurde breiter.
Weit vor uns erkannte ich einen hellen Schimmer. Dort mußte sich irgend etwas abspielen, und ich nahm an, daß da auch unser Ziel lag. Als ich in meinem Rücken das Knirschen hörte, warf ich einen Blick zurück und rief gleichzeitig: »Halt!«
Lionel Barry blieb stehen.
Ich aber sah, wie sich eine gewaltige Platte vor den Eingang schob und ihn völlig abdunkelte.
Aus, vorbei.
Wir waren Gefangene des Schädels!
Es überraschte mich nicht einmal, eigentlich hatte ich damit viel früher gerechnet.
So mußte ich das Beste aus der neuen Situation machen.
»Geh weiter!«
Lionel Barry setzte sich wieder in Bewegung. Unter seinen und meinen Schritten knirschte es. Der Boden war nicht glatt, sondern uneben und wies zahlreiche Stolperstellen auf.
Vor uns wurde es heller. Der Schein streifte auch die Wand des Mittelgangs, und ich sah, daß sich in der Gangwand auch noch Höhlen oder Löcher befanden. Diese allerdings waren von keinem roten Licht erfüllt, sondern völlig dunkel.
Auch waren die Höhlen ebenso leer wie die anderen. Wo steckten dann meine Gegner?
Sich darüber Gedanken zu machen, war müßig. Ich würde sie schon früh genug sehen. Zudem blieb meine Geisel plötzlich stehen. Auch ich stand still.
»Da«, sagte Barry.
Ich schritt vor und stellte mich mit ihm auf eine Höhe. Jetzt wußte ich, warum er nicht weitergegangen war.
Wir standen am Rand eines gewaltigen Kraters. Was ich zu sehen bekam, war wirklich beeindruckend.
Die Wände fielen nicht steil ab, sondern waren terrassenförmig abgestuft, sie wirkten wie riesige Treppenstufen. In deutschen Weinanbaugebieten hatte ich so etwas schon gesehen. Auch die Wände wiesen Höhlen auf. Sie lagen in unterschiedlicher Höhe und waren durch Leitern miteinander verbunden. Eine wirklich seltsame Konstruktion.
Am interessantesten jedoch war der Grund des Kraters. Dort strahlte das helle Licht auf. Es wurde von zwei gewaltigen Stäben abgegeben, die in den Boden gerammt waren. Den Raum zwischen den Stäben konnte ich aus meiner Perspektive kaum schätzen.
Vielleicht drei Yards – vielleicht fünf…
Ich sah jedoch keine Menschen. Und das wunderte mich. Wo hielten sie sich versteckt?
Eins stand fest.
Ich mußte da runter. Hier oben konnte ich nicht stehenbleiben.
Schließlich wollte ich etwas in Bewegung bringen.
Ich beugte mich vor und sah zwei Schritte von uns entfernt die erste Leiter.
Erst jetzt erkannte ich, daß sie aus Gebeinen gefertigt war.
Ich schluckte…
»Geh«, wies ich meine Geisel an. »Ich will hinunter.«
»In die Arena?«
»Ja, zum Henker!«
Barry hob nur die Schultern und gehorchte. Sein Benehmen gefiel mir überhaupt nicht. Ich hatte damit gerechnet, daß er einen Angriff versuchen würde.
Nichts geschah. Hatte er sich schon damit abgefunden, der Verlierer zu sein? Oder glaubte er mich sicher?
Ich nahm letzteres an.
Die erste Leiter überwanden wir ohne Schwierigkeiten. Auch diesmal versuchte Barry nicht, mich zu überwältigen. Geschmeidig nahm er die Sprossen der zweiten Leiter in
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