0151 - Der Rächer und sein Richter
Zwölfjährigen. Das sieht man doch an der Handschrift.
Sie wandte sich ihrer anderen Arbeit zu. Und sie war fest entschlossen, sich nicht von einem ungezogenen Bengel aus dem Konzept bringen zu lassen. Mit ihrer Fähigkeit, sich ganz auf ihre Arbeit zu konzentrieren, hatte sie den Brief denn auch bald aus ihrem Bewusstsein verbannt.
Das ging ganz gut bis zum Ende der Mittagspause. Zwischen ein und drei Uhr blieb ihr Geschäft geschlossen, weil ja schließlich auch die Angestellten einmal zu Mittag essen wollten.
Es war Mrs. Britans Gewohnheit, schon kurz nach zwei Uhr wieder im Geschäft zu sein und die restliche Zeit bis zum Öffnen Arbeiten auszuführen, zu der sie Ruhe brauchte.
Aber als sie diesmal die Straße herunterkam, sah sie schon von Weitem, dass an ihrer Ladentür ein großes Schild hing. Vor Zorn schnaubend eilte sie auf die Tür zu.
Es war ein Schild, das fast die ganze Tür bedeckte. Und in sauberen, von einem Fachmann mit Tusche gemalten Lettern stand auf dem Schild: Wegen eines Trauerfalls bleibt mein Geschäft ab Freitag geschlossen.
Für einen Augenblick verlor Mrs. Britan die Beherrschung und stöhnte vor Wut. Dann riss sie entschlossen das mit Klebestreifen befestigte Schild ab, drehte sich auf dem Absatz um und rief aufgeregt: »Taxi! Hallo,Taxi,Taxi!«
Ein Yellow Cab kam mit quietschenden Bremsen heran. Mrs. Britan wuchtete das Schild hinein, kletterte nach und rief dem Fahrer zu: »Fahren Sie mich zum FBI! Aber beeilen Sie sich!«
***
Steve Mortens schloss die Tür zum Lager auf, als in den Hof ein Wagen einfuhr. Verwundert drehte er sich um.
Er traute seinen Augen nicht, als er vier maskierte Männer aus dem Wagen herauskommen sah. Und noch mehr überrascht war er, als er entdecken musste, dass diese vier Männer Pistolen in der Hand hielten.
»Pfoten hoch!«, sagte einer.
Diese Aufforderung war ohne Zweifel an Mortens gerichtet. Zögernd hob er die Arme in die Luft.
Die vier Männer steckten die Köpfe zusammen, und Mortens sah, dass einer von ihnen mit ein paar Gebärden den anderen Anweisungen erteilte. Dann blieb einer neben dem Wagen stehen und beobachtete aufmerksam die Umgebung des mittäglich stillen Hofes.
Die drei anderen polterten die kleine Steintreppe zur Laderampe herauf, auf der Mortens vor der aufgeschlossenen Lagertür stand.
»Los geh vor!«, sagte einer der Gangster.
»Ja«, stammelte Mortens. »Natürlich.«
Er fühlte, dass seine Knie weich wurden. Was wollten die Kerle denn von ihm? Er hatte doch nie etwas mit Gangstern zu tun gehabt? Wollten sie ihn etwa ermorden? Aber warum denn? Das musste doch ein Irrtum sein!
»Meine Herren, ich…«
»Halt’s Maul!«, unterbrach ihn einer der Gangster roh.
Sie gingen durch den schmalen Gang zur Tür, die nun endgültig in das Lager der Pennsylvania Mining Company führte.
»Schließ auf!«, befahl der Sprecher der Gangster.
Mortens bewegte mit zitternden Händen seinen Schlüsselbund, suchte den richtigen und versuchte, ihn in das Schloss zu stecken. Aber es war ein schmaler Sicherheitsschlüssel, und dementsprechend schmal war auch der Schlitz im Schloss.
»Der Idiot findet vor Angst das Schlüsselloch nicht«, knurrte einer und riss ihm die Schlüssel aus der Hand.
Der Gangster schloss auf, trat die Tür mit einem Tritt nach innen und fauchte: »Los, Mann! Scher dich rein!«
Halb ohnmächtig vor Angst trat Steve Mortens, der vierundfünfzigjährige Lagerleiter der PMC, über die Schwelle.
»Wo ist das Dynamit?«, herrschte ihn einer der Gangster an.
»Die, die Patronen?«, stotterte Mortens.
»Ja, Mensch!«
Mortens zeigte auf sechs große, schwere Kisten die alle noch einmal mit Vorhängeschlössern gesichert waren.
»Mach so eine Kiste auf!«
»Ja - jawohl.«
Mortens ging ein paar Schritte in die Lagerhalle hinein.
»Stopp!«, brüllte der Gangster.
Mortens fuhr zusammen und stand wie eine Salzsäule.
»Wo willst du hin?«
Mortens zeigte auf den kleinen Schrank, der an der gegenüberliegenden Wand hing.
»Ich muss doch den Schlüssel für die Kiste holen!«, sagte er kläglich.
Die Gangster stutzten, dann lachten sie.
»Los, mach schnell! Wir haben’s eilig«, rief einer.
Mortens beeilte sich. Er holte den Schlüssel aus dem Schränkchen, schloss eine Kiste auf und wuchtete den schweren Deckel hoch.
»Pack zweihundert Dynamitpatronen ein! Aber schön einpacken, klar?«
Mortens nickte ein paar Mal. Eilig machte er sich an die Arbeit.
»Wo sind die Zeitzünder?«, rief ihm ein anderer
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