0153 - Eine Handvoll Leben
hier quer übereinander, ihre abgestorbenen Äste ineinander verschlungen. Verfaulte Stämme, von unzähligen Schmarotzerpflanzen überwuchert, versperrten Vouner den Weg.
Er mußte über sie hinwegklettern, ständig der Gefahr des Ausrutschens ausgesetzt.
Bald darauf erreichte er den eigentlichen Sumpf, einen riesigen schwarzen See, der sich vor ihm ausdehnte. Kahle Bäume unterlegen im Kampf ums Dasein, ragten wie mahnende Riesenfinger daraus empor.
Blasen, größer als ein Wagenrad, stiegen an die Oberfläche und zerplatzten mit einem schmatzenden Geräusch. Ungefähr in der Mitte des Sees trotzte ein einzelnes Farnkraut der Übermacht des Morasts. Der Verwesungsgestank hing wie ein dichter Vorhang über dieser Gegend.
Vouner hockte sich in die Gabelung zweier armdicker Äste und lehnte sich zurück.
An diesen Platz mußte er die Aras locken.
Da brach direkt vor Vouner die Oberfläche des Sumpfes auseinander, und ein gewaltiger Schädel, schwarz und triefend, reckte sich heraus. Mit einem Entsetzensschrei fuhr Vouner hoch.
Der Morast brodelte und geriet in Unruhe. Der Stamm, auf dem sich der Terraner niedergelassen hatte, wackelte.
Irgendwo in diesem ungeheuerlichen Kopf glaubte Vouner zwei glühende Augen zu erkennen. Bestialischer Gestank breitete sich aus. Ein Hals, breiter als Vouners Schulter, folgte dem Schädel an die Oberfläche.
Vouner fühlte, wie der Baum, auf dem er stand, langsam in die Höhe gehoben wurde, als handele es sich um ein Streichholz. Das Entsetzen würgte ihn. Er sank auf die Knie und umklammerte mit einer Hand einen Ast, während er mit der anderen den Karabiner festhielt.
Das Tier, oder was es immer war, schob sich langsam aus dem Sumpf, wobei es den Baum immer weiter hochstemmte.
Verzweifelt hielt Vouner sich fest. Der Stamm rutschte, bis er auf dem Rücken des Ungeheuers gegen einen Höcker fiel und liegenblieb. Halb wahnsinnig vor Angst brachte Vouner den Karabiner in Anschlag. Bevor er jedoch feuern konnte, bewegte das Monstrum sich erneut. Mit einem einzigen Ruck erhob es sich endgültig.
Der Stamm verlor den Halt, glitt über den Rücken des Giganten und fiel platschend auf den Sumpf. Vouner stieß einen Schrei aus, als er seine Beine im Schlamm versinken fühlte. Da peitschte der Schwanz des Tieres über ihn hinweg und spaltete den Stamm in zwei Teile. Morsches Holz zerbarst, und Splitter regneten auf Vouner herab. Ein ganzer See stinkenden Morasts schien sich über ihn zu ergießen.
Wie eine dunkle Wand schob sich der Körper des Tieres an Vouner vorbei. Noch einmal hieb der Schwanz in spielerischer Leichtigkeit in den Sumpf. Dann stapfte das Ungeheuer davon, während unter seinen Schritten Äste brachen und der Boden zu schwanken schien.
Vouner fühlte, wie sein Teil des Stammes allmählich im Sumpf versank. Er klemmte den Karabiner zwischen die Äste, so daß er sich mit beiden Händen herausziehen konnte. Seine Beine kamen frei, und er wälzte sich auf die Oberseite des Baumes. Gluckernd schloß sich der Morast um den unteren Teil des Stammes.
Das riesige Tier tauchte auf der anderen Seite des Sumpfes im Wald unter. Vouner hörte, wie es sich schnaubend einen Weg bahnte. Wahrscheinlich handelte es sich um einen völlig harmlosen Pflanzenfresser. Trotzdem hatte es Vouner in große Gefahr gebracht. Der Terraner lag jetzt mindestens fünf Meter vom Ufer entfernt auf einem allmählich versinkenden Baumstück. Mit urwüchsiger Gewalt hatte das Monstrum Vouner davongeschleudert, ohne den Menschen überhaupt bemerkt zu haben.
Vouner wagte nicht, sich aufzurichten, weil er fürchtete, der Stamm könnte zu wackeln beginnen oder herumrollen. Er lachte grimmig über die Ironie des Schicksals. Kein Zellaktivator konnte ihn vor dem Tod des Ertrinkens bewahren.
Der Stamm sank allmählich tiefer. An seinem unteren Ende sah Vouner das Moor wie etwas Lebendiges herauf kriechen. Er schauderte.
Sollte er hier, inmitten einer öden Umwelt, sein Ende finden?
Nicht die Aras hatten ihn vernichtet, sondern ein unglücklicher Zufall würde seinem Leben ein Ende bereiten. Jetzt, wo er den Schlüssel des ewigen Lebens mit sich trug, erschien Vouner das Sterben doppelt schrecklich.
*
Hefner-Seton konnte sich vorstellen, wie Jassi-Petan inmitten des Dschungels stand und mit grimmigem Gesicht in das Mikrophon sprach.
„Wir haben noch keine Spur eines Überlebenden gefunden, Kommandant", hörte er die Stimme seines Stellvertreters aus dem kleinen Lautsprecher dringen. „Es
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