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0153 - Sie nannten sich Löwen und Tiger

0153 - Sie nannten sich Löwen und Tiger

Titel: 0153 - Sie nannten sich Löwen und Tiger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sie nannten sich Löwen und Tiger
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wissen, woher das schlechte Aussehen und die Nervosität rührten. Entweder das Mädchen machte einen gewaltsamen Versuch, sich die Marihuanazigaretten abzugewöhnen, oder aber ihr Bedarf, an diesem Zeug war, wie das gewöhnlich geht, rapide gestiegen.
    »Ich möchte Sie um etwas bitten, Mister Cotton«, fuhr Mrs. Hudson fort. »Wir haben heute Abend eine kleine Gesellschaft, zu der auch Margret und Bob ihre Freunde und Freundinnen einladen. Wir werden höchstens zehn Personen sein, und ich möchte Sie bitten, ebenfalls zu kommen. Dies ist die beste Gelegenheit, um dem Mädchen einmal auf den Zahn zu fühlen, falls Sie das für nötig halten.«
    »Es wird mir ein Vergnügen sein«, beteuerte ich. »Darf ich meinen Partner mitbringen?«
    »Selbstverständlich. Ich wollte Sie gerade darum bitten. Übrigens werde ich Margret vorher nichts davon sagen. Ich habe den Eindruck, dass sie Sie nicht gerade liebt, und ich möchte vermeiden, dass sie sich unter einem Vorwand drückt. Unsere Gäste kommen um acht Uhr. Wenn Sie es einrichten können, hätte ich Sie vorher noch gern gesprochen.«
    »Ich werde um sieben Uhr dreißig dort sein«, versprach ich.
    ***
    Es war noch strahlend heller Tag, als wir in der Park Avenue ankamen und in die Einfahrt einbogen. Seitlich des Hauses parkte ich meinen Jaguar und dann klingelten wir am Portal. Es war nicht Annie, die uns öffnete, sondern ein nettes Mädchen, dem wir unsere Namen nannten.
    »Mrs. Hudson wartet schon auf Sie«, sagte sie, nahm die Hüte entgegen und wies uns den Weg.
    Flora Hudson saß in einem bequemen Sessel am Fenster. Sie sah aus wie eine gläserne Puppe, die anzurühren man Angst haben muss, weil sie jeden Augenblick zerbrechen kann.
    »Ich danke Ihnen sehr, dass Sie gekommen sind«, sagte sie und wies mit ihrer zarten, fast durchsichtigen Hand auf ein paar Polsterstühle.
    Natürlich bedankten wir uns für die Einladung und wir wechselten ein paar höfliche Worte über das Wetter.
    Nach dieser Einleitung kam Mrs. Hudson zur Sache.
    »Soviel ich von Margret erfuhr, ohne sie allerdings zu fragen, haben Sie sich mit ihr unterhalten, und ich schreibe es dem Einfluss dieser Unterhaltung zu, dass sie in letzter Zeit versucht, sich zusammenzunehmen. Ich habe durchaus nichts dagegen, wenn sie hin und wieder mal mit Freundinnen und Freunden ausgeht. Das tun ja die jungen Leute heutzutage alle.«
    In diesem Augenblick klopfte es, und ein alter, glatzköpfiger Herr mit schneeweißem Spitzbart kam herein. Es hätte des aus seiner Tasche ragenden Stethoskops gar nicht bedurft, um anzuzeigen, dass er Arzt war. Die blinkende, goldgefasste Brille, das professionelle Lächeln und das ganze Gehabe verrieten seinen Beruf.
    »Oh, meine liebe Mrs. Hudson, Sie haben Besuch«, sagte er entschuldigend.
    »Kommen Sie nur näher, Doktor. Darf ich bekannt machen, Mister Cotton und Mister Decker, und das ist Doc Bonnister, der mich schon seit frühester Jugend behandelt.«
    »Außerordentlich erfreut.« Der alte Herr verbeugte sich und so blieb uns nichts anderes übrig, als aufzustehen und Männchen zu machen.
    »Wie geht es Ihnen, meine liebe Flora?«, fragte der Arzt händereibend.
    »Wie immer«, lächelte sie. »Ich bin ganz zufrieden, solange es nicht schlechter geht.«
    »Besser, besser soll es Ihnen gehen«, mahnte der Arzt. »Wenn Sie sich sehr ernsthaft vornehmen, dass es Ihnen von Tag zu Tag besser geht, so wird das auch eintreffen.«
    Er sagte das freundlich, wie man einem kranken Kind zuredet, aber ohne Überzeugung. Wenn er erklärt hätte, Flora Hudson habe nicht mehr lange zu leben, so wäre das weniger schockierend gewesen als dieser lahme, zwar gut gemeinte, aber verlogene Trost.
    Die Frau schien das gleiche zu fühlen. Für einen kurzen Augenblick zog ein Schatten über ihr Gesicht, der aber sofort wieder verschwand.
    »Wollen Sie Margret sehen?«, fragte sie.
    »Ich habe gestern mit ihr gesprochen und sie untersucht«, sagte Doc Bonnister. »Ich kann nichts Besonderes finden. Sie ist etwas dünn und blass, aber was können Sie schon von einer Achtzehnjährigen verlangen? Sie sollte viel spazieren gehen, Gymnastik treiben, Milch trinken und dergleichen, wie man das früher machte.« Er zuckte die Achseln, als wolle er sagen, früher seien sogar die Achtzehnjährigen vernünftiger gewesen.
    Dann zog er eine dicke Doppeldeckeluhr aus der Westentasche und erklärte wichtig, er müsse sich jetzt beeilen.
    »Der gute, alte James…« sinnierte Flora Hudson, als er gegangen

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