0153 - Sie nannten sich Löwen und Tiger
war. »Er versucht mir immer wieder einzureden, es sei nur eine Frage kurzer Zeit, bis ich wieder gesund und springlebendig sei. Schade, dass er es so ungeschickt macht und dass ich zu genau weiß, wie es um mich steht.«
Ich hätte gern protestiert, aber ich brachte nicht fertig, ihr Theater vorzuspielen.
Es war aber auch etwas anderes, worüber ich mir jetzt Gedanken machte. Dieser gute, alte Familiendoktor behandelte auch Margret, und zwar nicht erst seit heute. Wieso hatte er nichts davon gemerkt, dass das Mädchen Rauschgift nahm? War er tatsächlich so einfältig oder verheimlichte er diese Tatsache vor der Mutter? Ich beschloss, ihn schnellstens danach zu fragen.
Mrs. Hudson blickte auf ihre mit Rubinen besetzte Armbanduhr und seufzte.
»In einer Viertelstunde werden unsere Gäste erscheinen. Ich will mich deshalb beeilen. Verzeihen Sie, wenn ich Sie mit Sorgen belästige, mit denen Sie nicht das Geringste zu tun haben. Margret hatte die ganze Zeit über einen Freund, der mir nicht sonderlich gefiel, in der Hauptsache, weil er ungefähr doppelt so alt ist wie sie. Ich bin immer der Meinung, junge Leute sollten unter ihresgleichen bleiben. Er holte sie verschiedentlich ab, und sie stellte ihn mir vor. Wie dem auch sei, jedenfalls hat der Mann Manieren. In den letzten acht bis zehn Tagen hat sie ihn gar nicht mehr erwähnt, aber sich einem Menschen angeschlossen, der mir noch weniger zusagt.«
»Verzeihen Sie, Mrs. Hudson«, unterbrach Phil, »wer war denn dieser Freund Nummer eins?«
»Oh, ich vergaß. Er muss südamerikanischer Herkunft sein, ein gut aussehender Mann. Er heißt… Wie heißt er nun? Ja, ich weiß es… Valgas. Ich kam nicht sofort auf den Namen, weil sie ihn immer Fernando nennt.«
»Aha«, machte ich unwillkürlich, machte aber schnell den Mund wieder zu.
»Ihr neuer Favorit ist Mister Forrester, Ben Forrester. Sie kennen ihn sicher?«
»Doch nicht den Schauspieler?«, fragte Phil.
»Ja, eben der. Ich habe mich erkundigt und erfahren, dass er, wie die meisten Stars eines Musicals, ein Schürzenjäger ist. Margret versichert mir zwar, dass er nur ein harmloser vorübergehender Flirt sei, aber ich fürchte, dass sie diesem Don Juan nicht gewachsen ist. Nun hat sie, ohne mir das vorher zu sagen, sowohl ihn als auch Mister Valgas für heute Abend eingeladen und darüber mache ich mir Gedanken. Ich möchte nicht, dass es zu irgendwelchen Schwierigkeiten kommt. Sie wissen ja, wie Männer sind, und Margret, dessen bin ich mir vollkommen bewusst, macht sich ein Vergnügen daraus, den einen gegen den anderen auszuspielen.«
»Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen«, behauptete ich ganz gegen meine Überzeugung. »Sie wird sich schon zurückhalten, und im Übrigen sind wir ja auch noch da.«
Sie nickte wortlos, und jetzt begriff ich den Sinn ihrer plötzlichen Einladung. Sie hatte einfach Angst gehabt, ihre Tochter könne Unheil anrichten.
Die Tür knarrte leise, und herein trat ein kleiner, schmaler, grauhaariger Herr. Seine Smokingschleife war nur unordentlich gebunden, und sein Haar war zerzaust, als komme er gerade aus dem Bett.
»Hallo, Darling«, grüßte er und kam mit kurzen Trippelschritten näher.
»Hallo, Lloyd! Nett von dir, dass du pünktlich bist. Das sind Mister Cotton und Mister Decker.«
»Angenehm«, nickte er und wendete sich wieder seiner Frau zu.
»Stell dir vor, Flora, ich musste ein Experiment abbrechen, als Marcia mir die Hölle heiß machte, ich solle mich endlich anziehen. Es ist ein sehr vielversprechendes Experiment, aber ich werde es später noch durchführen.«
Dabei knetete er seine von allen möglichen Chemikalien verfärbten Finger und ließ die Gelenke knacken.
Was den Vater anbelangte, so hatte Margret keinesfalls gelogen. Der Mann war ein harmloser Mann, aber er war ein Narr. Er lebte nur für sein Hobby und vergaß darüber nicht nur die Welt, sondern auch seine Familie. Ich bezweifelte, dass er überhaupt wusste, wie krank seine Frau war.
Es klopfte, und wieder sprang die Tür auf. Es war das dunkelhaarige Mädchen, das ich bei meinem ersten Besuch flüchtig gesehen hatte. Marcia Hudson, die Nichte.
Sie war außerordentlich hübsch mit großen, klugen, schwarzen Augen und einem bräunlichen Teint. Marcia war nicht gerade das, was man schlank nennt, aber ihre Fülle war ein Ausdruck ihrer Gesundheit und darum nicht unsympathisch. Es schien mir, als ob sie, während sie ihrer Tante über die Vorbereitungen zu der Party berichtete, uns
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