0158 - Der Panthermann
sich, änderte die Proportionen. Der Schädel verformte sich, das Fell verschwand. Plötzlich stand der Körper eines hochgewachsenen, blaßhäutigen schlanken Mannes da, wo sich Augenblicke zuvor noch das Raubtier befunden hatte.
Der Chworch lächelte. Das hatte er den Wer-Menschen voraus: Er vermochte sich zu jeder Tages- und Nachtzeit zu verwandeln, war nicht von bestimmten Zeiten und Mondstellungen abhängig.
Er bückte sich, hob den Lederanzug auf und schlüpfte wieder hinein. Sorgfältig schloß er ihn, stieg in die schweren Stiefel und löste sich dann wieder aus der Nische zweier eng beieinander stehenden Häuser. Hier war der geeignetste Punkt gewesen. Niemand hatte ihn beobachten können.
Als er auf die Straße trat und auf seine BMW R 45 zuhielt, entsann er sich an den flüchtigen Eindruck des Mädchengesichtes, das er wahrgenommen hatte. Es war eines der beiden Mädchen gewesen, die am Vormittag neben dem weißen Ford gestanden hatten.
Wo aber war der Ford, wo war das andere Mädchen? Eine ganze Menge Autos stand in der Nähe des Hotels, aber der weiße Ford befand sich nicht darunter.
Plötzlich sah der Chworch in der Abwesenheit dieses Fahrzeuges eine geradzu gigantische Gefahr auf sich zukommen, denn dieses Fehlen machte seine Gegner unberechenbar!
Wo war der Wagen?
Der Chworch ahnte nicht, daß ein Augenpaar ihn mit einem seltsam spöttischen Lächeln um die Mundwinkel ein paar Zentimeter darunter betrachtete, als er seine Maschine startete und losdonnerte. Hätte er es geahnt, er wäre noch mißtrauischer und vorsichtiger geworden…
***
Westkamp hob den Telefonhörer ab, wählte und wartete. Dann hatte er den Polizeiarzt am Draht der Haussprechanlage. »Westkamp hier«, knurrte er. »Haben Sie schon nähere Erkenntnisse gewonnen?«
Der Arzt, der die beiden Toten einer näheren Untersuchung unterziehen wollte, räusperte sich. »Nun, ich bin fast fertig mit der Autopsie. Sie stören mich gerade bei den letzten, äh… Untersuchungen.«
»Und?«
»Die beiden sind tatsächlich von einem Raubtier angefallen worden«, sagte der Arzt. »Am deutlichsten wird es bei dem Mädchen. Es muß eine Großkatze gewesen sein, so skurril es auch klingt.«
»Es gibt hier keine Großkatzen«, erwiderte Westkamp ungehalten. »Nicht einmal bei Hagenbeck ist so ein Viech getürmt.«
»Trotzdem besteht kein Zweifel an der Todesursache. Nur ist mir rätselhaft, wie das Blut aus den Körpern entwichen ist.«
»Vielleicht hat man sie aufgehängt und ihre Körper ausbluten lassen«, vermutete Westkamp. Ihn schauderte bei der Vorstellung. Welcher Verbrecher konnte derartig kaltblütig Vorgehen? Es mußte ein Monstrum sein, ein Ungeheuer in Menschengestalt.
»Ich hätte bestimmte Anhaltspunkte dafür gefunden«, wandte der Arzt ein. »Aber auch die Methode wäre noch zu langsam gewesen. Das Blut muß innerhalb weniger Sekunden vollständig -hm, verschwunden sein.«
»Sie sind verrückt!« behauptete Westkamp.
»Das habe ich selber schon gedacht, nur wird dadurch nichts anders«, erwiderte der Arzt am anderen Ende der Leitung. »Ich komme einfach nicht weiter. Das geht über meinen Verstand. Es gibt keine logische Erklärung.«
»Vielleicht sollte man die Leichen nach Hamburg überstellen. Das Gerichtsmedizinische Institut…«
»… kocht auch nur mit Wasser, Herr Kommissar«, wandte der Arzt ein. »Aber ich will Sie nicht daran hindern. Weinen Sie aber nicht, wenn die Kollegen dort zum gleichen Mißergebnis kommen wie ich.«
»Danke, Doktor«, sagte Westkamp. »Sie schicken mir das Protokoll Ihrer Untersuchungen zu?«
»Haben Sie schon einmal erlebt, daß ich es nicht getan hätte?« fragte der Arzt etwas bissig zurück und legte auf.
Westkamp ließ nachdenklich den Hörer auf die Gabel sinken.
Magie?
Aber das war doch Blödsinn, höherer Mumpitz. Das Zeitalter des Hexenglaubens war längst vorbei. Dennoch mußte der Kommissar immer wieder an den großen Franzosen denken und das seltsame Amulett, das jener besaß.
Nun, die Verletzungen an den Leichen ließen sich durchaus rational erklären. Wenn der Mörder, der wahnsinnig sein mußte, sich Handschuhe mit Raubtierkrallen übergezogen hatte - es gab mindestens einen Parallelfall in der Kriminalgeschichte, in dem der Mörder versucht hatte, auf diese Weise den Mord als den Überfall eines Raubtiers erscheinen zu lassen, wie der Kommissar sich erinnerte -, mußten diese Verletzungen entstehen und zu Fehlschlüssen führen.
Aber der
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