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0159 - Der Engel, der ein Teufel war

0159 - Der Engel, der ein Teufel war

Titel: 0159 - Der Engel, der ein Teufel war Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Eisele
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gleichbedeutend mit Sicherheit und Rettung. Vielleicht konnten ihn die höllischen Mächte, die er und Jenny beobachtet hatten, hier nicht aufspüren… Es gab doch so viele andere Menschen hier.
    Eine schwache Hoffnung, aber immerhin.
    Der Regen platschte und prasselte auf den Asphalt, warf Blasen, zerrann zu silbrigen Schlieren, winzige Partikelchen glühten im Abblendlicht, das wie ein Finger in die Nacht stach. Die Laternen, die am Straßenrand brannten, konnten der Düsternis nicht beikommen, ihr Licht war nur ein schwacher heller Schemen, nicht mehr, verwaschen und fern, wie ein Irrlicht aus einer anderen Welt.
    Die Häuserfassaden ragten grau und düster in die aufgewühlte Nacht hinauf. Die Fenster waren fast überall schon dunkel, obwohl es so spät auch wieder noch nicht war.
    Soho.
    Um diese Zeit und bei diesem Wetter zeigte es sich von seiner widerwärtigsten Seite.
    Die Ampel zeigte grün, und Benny stieg wieder aufs Gas. Er wollte endlich nach Hause, die nassen Klamotten ausziehen, sich einen Whisky gönnen und Jenny in seine Arme nehmen. Auf ihren sittenstrengen Bruder pfiff er jetzt. Er würde Jenny heiraten, für nichts auf der Welt würde er sie mehr hergeben, denn sie hatten so viel zusammen durchgemacht, daß sie auch ein Leben lang brauchen würden, um es zu verdauen. Gemeinsam ging das besser.
    »Wir sind gleich da, Kleines«, sagte er so sanft er nur konnte, und es war unvermeidbar, daß seine Stimme leicht zitterte.
    »Ich – ich bin schon okay, mach dir nur keine Sorgen um mich, Benny«, erwiderte sie. Sie sah kurz zu ihm her, dann schlang sie ihre Arme um sich, als sei ihr kalt.
    Benny nickte. »Beiß’ die Zähne zusammen. Ich glaube, wir haben es geschafft. Und wegen dem Toten mach du dir nur keine Sorgen, der Bulle hat gesagt, daß sofort jemand hingeschickt wird. Die holen ihn ab und kümmern sich um den Fall.«
    »Glaubst du?«
    »Ja. Wozu sind die Typen sonst da? Du wirst sehen, es wird alles gut.«
    »Steve wird dieser Meinung nicht sein. Du weißt, daß er sehr eifersüchtig ist.«
    »Du bist seine Schwester, und alt genug, um zu wissen, wem du vertrauen kannst, und wem nicht, das muß er irgendwann begreifen.«
    »Er hat meinen Dad und meine Mam ersetzt, seit sie bei diesem schrecklichen Unfall ums Leben gekommen sind. Jetzt fühlt er sich für mich verantwortlich.«
    »Das kann ich doch verstehen, Jenny, Liebes. Aber dein Steve sollte nicht übertreiben. Ich werde mit ihm reden, und dann wird er schon einsehen, daß ich kein Unmensch bin, der zum Nachtisch kleine Mädchen verspeist.«
    Sie lächelte schwach. »Du hast eine Art, dich auszudrücken«, meinte sie.
    »Weißt du, Jenny«, sagte er sehr gedehnt, »ich habe dich sehr lieb. Du kannst mir glauben: das hab’ ich noch keiner anderen gesagt, obwohl es da natürlich ein paar Ladies gab…«
    »Das weiß ich doch, Benjamin.«
    »Okay, ich wollte es dir nur noch mal ausdrücklich gesagt haben.«
    Sie schwiegen, und Benny blinkte links und fuhr in die schmale Forry-Ackerman-Road. Es war eine triste Gegend hier, die Gehsteige waren mit zerfledderten und zusammengeknüllten Zeitungsfetzen übersät, die der Regen vollends auf den Asphalt geklebt hatte, Abfälle lagen in den Rinnsteinen, und das Wasser gurgelte daran vorbei. Aus einem Gully pufften Dampfwolken und vereinten sich mit dem Nebel, der vom Regen ununterbrochen durchlöchert, jedoch nie völlig aufgelöst werden konnte.
    »Sieh dich nicht zu genau um, ich wohne nicht gerade in einer feinen Gegend.«
    »Du weißt doch, daß ich nicht zu denen gehöre, die einen Menschen nach der Gegend beurteilen, in denen er lebt.«
    »Meine Eltern waren arme Leute«, erklärte er, obwohl er wußte, daß es nicht nötig gewesen wäre.
    Sie sagte nichts.
    »Und ich bin auch arm. Aber ich habe einen Kopf und einen ziemlich fix arbeitenden Verstand und zwei Hände, da läßt sich schon was mit anfangen. Und dazu dann noch mit dir als Frau…«
    Er verschluckte den Rest, weil es einfach nicht paßte, wenn er jetzt vom Heiraten sprach.
    Er glaubte, die weit aufgerissenen, gläsernen Augen des Toten vor sich zu sehen.
    Eine Warnung lag darin eingefressen: Lauf weg, Junge, lauf, so weit du nur kannst…
    Er schüttelte sich und zwang sich, nicht mehr daran zu denken.
    Er mußte es verdrängen, vergessen, alles, bloß nicht mehr daran denken.
    Aber es ging ihm an die Nerven, er merkte, daß seine Hände wieder zitterten.
    Wieder sah er sich wie gehetzt um, aber da war nichts und niemand zu

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