0159 - Der Engel, der ein Teufel war
Gewand, das ihren anmutigen Körper so perfekt betonte, war wie eine schwarz gelackte Haut. Sie lächelte, als sie meine Wut und Verzweiflung bemerkte, und wandte sich an den Fahrer:
»Los, du kennst unser nächstes Ziel, Lazarius. Wir haben nicht mehr viel Zeit. Sie sind uns auf den Fersen. Unser Vorsprung schmilzt zusammen.«
Die Wagentür klappte zu, als der Untote anfuhr. Ich wurde in die Polster zurückgedrückt, der Wagen rumpelte über unebenes Gelände, Äste streiften über die Karosserie. Lavinia schüttelte sich wie eine Katze. Ihr Gesicht aber drückte eine satanische Zufriedenheit aus, die mir eine Gänsehaut über den Rücken jagte, denn ich konnte mir denken, warum sie so zufrieden war…
***
Bill Conolly stutzte, schüttelte den Kopf, sah noch einmal hin, aber das Ergebnis blieb das gleiche.
John Sinclair war verschwunden.
Er blies die Luft aus, und langsam aber sicher, wunderte er sich über seinen Freund. Also, was der heute für ein Benehmen an den Tag legte…
Bill ließ seinen Blick über die anderen vier Gäste schweifen, rieb sich die Hände an seiner Gabardin-Hose ab und räusperte sich.
»Sorry«, wandte er sich dann an den älteren Herrn, der noch immer die Times studierte, und dabei sein Essen kalt werden ließ.
»Ja, Sir?«
»Äh, sorry, aber könnten Sie mir vielleicht sagen, wo mein Freund –« Bill seufzte, denn er kam sich nicht gerade sonderlich intelligent vor. Na warte, mein lieber John, nahm er sich vor.
»Oh, Sie meinen den freundlichen blonden Mann, der mit Ihnen gekommen ist?«
»Genau den. Wo ist er?«
»Ich – ich weiß nicht. Gerade war er noch da.« Der Mann sah zu dem Tisch hinüber, an dem die Freunde gesessen waren und schüttelte höchst verwirrt den Kopf. »Also, ich kann mir das nicht erklären.«
»Da geht’s Ihnen wie mir«, murmelte Bill. Ein ungutes Gefühl saß ihm plötzlich im Nacken, ein Gefühl, das ihm gar nicht gefallen wollte. Für solchen Unfug war John normalerweise eigentlich nicht zu haben, Flachserei: ja, auch mal eine knackige Verulkung, aber kein kindisches Versteckspielen.
Er kreiselte herum.
Auf dem einfachen Dielenboden zeichneten sich nasse Spuren ab.
Hart schluckte Bill. Etwas rastete ein. Das böse Gefühl aber loderte jetzt hoch. Er setzte sich Richtung Ausgang in Bewegung, seine Jacke, die er ebenso wie John Sinclair über die Stuhllehne gehängt hatte, ließ er dort, wo sie war.
Hinter ihm klappte die Küchentür auf, Angie kam heraus, in jeder Hand einen Teller.
»Hey, Bill!«
»Keine Zeit, Baby!«
»Aber die Steaks, Donnerwetter, du kannst doch jetzt nicht einfach –«
Der ältere Herr sagte etwas, und Angie fluchte, aber das bekam Bill nur noch am Rande mit. Er hatte die Tür erreicht, stieß sie auf, wartete eine halbe Sekunde flach gegen die Wand gepreßt und dachte daran, daß er gegen den hellen Hintergrund eine hervorragende Zielscheibe abgab. Aber er wollte auch keine Zeit mehr verlieren.
»Bill, warte doch, ich –«
Angies Stimme. Wuchtige Schritte stampften heran.
Bill gab ihr einen Wink, zurückzubleiben, dann wartete er nicht mehr, er stieß sich ab und katapultierte sich auf die Veranda hinaus. Nichts geschah. Seine Augen gewöhnten sich an die Dunkelheit. Der Regen und der Nebel machte alles nur noch trister. In einiger Entfernung waren noch ein paar hohe Schatten zu sehen, verwaschen, wie aus einer anderen Welt. Das waren die beiden Birken, die die Hofeinfahrt flankierten.
Nirgends eine Bewegung zu sehen.
Und nirgends eine Spur von John Sinclair.
»Mist auch!«
Bill stieg die Verandastufen hinunter. Hohl klangen seine Schritte.
Seine Kehle war wie zugeschnürt. Er dachte daran, daß er keine Waffe bei sich trug, und ärgerte sich, dennoch aber dachte er nicht daran, einfach wieder in die Gaststube zurückzukehren und die Hände in den Schoß zu legen und auf besseres Wetter zu hoffen.
Irgend etwas war mit John passiert. Wie hatte er einfach verschwinden können? Warum hatte niemand etwas bemerkt?
Die Helligkeit, die durch die weit offenstehende Tür und durch die zugezogenen Vorhänge herausfiel, wurde von der Schwärze regelrecht aufgesogen.
Aber da war plötzlich ein leises, kaum hörbares Scharren, eine blitzschnelle, katzengeschmeidige Bewegung!
Bill federte herum…
Ein Schatten wuchs vor ihm aus der Regennacht, huschte zur Seite, dann hörte er eine eiskalte Frauenstimme einen leisen, befehlenden Ruf ausstoßen: »Ihaschtara!«
Etwas glitzerte durch die stockdunkle
Weitere Kostenlose Bücher