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0159 - Der Engel, der ein Teufel war

0159 - Der Engel, der ein Teufel war

Titel: 0159 - Der Engel, der ein Teufel war Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Eisele
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milchig angelaufen.
    Dennoch konnte ich die Konturen auf dem Fahrersitz ausmachen. Bizarre Konturen…
    »Er gehört zu uns«, sagte Lavinia. »Er beschützt mich.«
    Das Wagenfenster surrte herunter, und jetzt konnte ich den Schemen sehen. Er wandte mir sein Gesicht zu.
    Es war eine Fratze!
    Halb verwest war das Fleisch, es wirkte wie aufgerauht. Vereinzelt gab es Flächen, da sah es wie aufgeplatzt aus, darunter waren Muskel- und Sehnenstränge zu sehen und der blanke Knochen.
    Die Augen lagen aufgedunsen in den Höhlen und glühten in einem unheiligen Feuer.
    Lavinia lachte. »Steig ein und warte. Ich habe noch etwas zu erledigen. Lazarius wird auf dich aufpassen. Mach keine Dummheiten.«
    Wie aus weiter Ferne hörte ich ihre Stimme, ihr Klang fraß sich in meinen Schädel, wand sich um meinen Verstand, fesselte, bannte ihn, machte alles so schwer…
    Ich stöhnte, aber ich bemerkte es nicht einmal. Bleischwer ließ ich mich in die weichen Polster der Jaguar-Limousine fallen, roch den würzigen Geschmack des Regens auf meiner Lederjacke und den Jeans und roch die ekelhafte Ausdünstung des lebenden Toten, der vor mir saß und sich nicht rührte.
    Ich habe noch etwas zu erledigen…
    Die Angst wühlte sich in meine Eingeweide, ich mußte an Bill Conolly denken, und daran, daß er in einer tödlichen Gefahr schwebte!
    Ich würgte, wollte mich erheben, wollte es wie nichts auf der Welt. Ich mußte hinaus, ich mußte Bill warnen… Ein Krampf durchraste meinen Körper, machte meine Füße bleischwer, ließ sie förmlich am Boden festkleben. Die Tür stand noch immer offen. Das Rauschen und Prasseln des Regens wurde immer lauter, hallte regelrecht in mir nach. Die Freiheit da draußen war sie.
    Aber sie war so weit entfernt…
    Viel zu weit…
    Der Untote drehte sich gemächlich um und fixierte mich. Er sagte nichts, er tat nichts, er sah mich nur an.
    Der Blick aus den toten Augen ging mir durch und durch. Ich saß in der Falle, und ich wußte es, konnte aber dennoch nichts dagegen tun.
    Dann spürte ich den zunehmenden Druck in meinem Schädel, ich glaubte, Lavinias sanfte Stimme hören zu können: Genug gegrübelt, John Sinclair. Du wirst alles zur rechten Zeit erfahren…
    Geduld… Schlaf jetzt… Bald wirst du deine ganze Kraft und Geschicklichkeit brauchen…
    Bald…
    Ich versuchte, abzublocken, die telepathische Stimme zu ignorieren, aber auch dies war unmöglich, gegen diese verdammte Teufelin schien kein Kraut gewachsen. Die Angst, die sich in mir eingenistet hatte, machte mir zusätzlich zu schaffen. Und wieder mußte ich an Bill Conolly denken…
    Und an die Beretta!
    Noch immer trug ich sie in der Schulterhalfter. Wenn es mir gelang, sie zu ziehen…
    Es würde mir nicht gelingen, ich wußte das im gleichen Sekundenbruchteil. Ich konnte mich nicht rühren. Genausogut hätte ich wie ein Paket verschnürt sein können. Die kalte Regenluft wehte ins Wageninnere. Und ich merkte, wie ich immer weiter abtrieb…
    Wie ich den Kontakt zu mir selbst, zu meinem Körper, verlor!
    Wieviel Zeit verging, das konnte ich nicht mehr feststellen, denn ich war kaum mehr als ein winziger Funke auf dem Grund eines tiefen und höllisch schwarzen Schachts, ich lebte und konnte noch einigermaßen denken und die verdammte Situation, in der ich steckte, erfassen, das aber war auch schon alles. Viel zu wenig.
    Der Verwesungsgestank, der von dem untoten Fahrer ausströmte, verursachte mir zudem Übelkeit und Brechreiz, und nicht einmal die hereinfächelnde regennasse Luft konnte etwas daran ändern.
    Es wurden die schlimmsten Sekunden und Minuten meines Lebens.
    Noch schlimmere sollten folgen.
    Irgendwann hörte ich einen gellenden Schrei, einen Fluch, dann ein Röcheln, das wie abgehackt verstummte.
    Bill Conolly!
    Himmel, das war Bills Stimme gewesen!
    Ich aber lag wie steifgefroren in diesem verdammten Wagen und konnte nichts tun! Es zerriß mir fast die Brust. Die Muskeln an meinem Hals traten wie Stränge hervor, die Willensanstrengung, mit der ich wieder versuchte, den Hexenbann zu durchbrechen, ließ mich schier die Besinnung verlieren.
    Es nutzte nichts.
    Ein Hund kläffte. Stimmen wirbelten durcheinander, und Aufregung und Schrecken mischten sich darin.
    Dann näherten sich schnelle, leichte Schritte, ich spürte gleitende Bewegungen außerhalb des Wagens, und einen Augenblick später saß Lavinia neben mir. Sie war völlig durchnäßt, ihr Haar hing strähnig bis auf ihre schmalen Schultern herunter, das raffinierte

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