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0163 - Um das Leben meines Freundes

0163 - Um das Leben meines Freundes

Titel: 0163 - Um das Leben meines Freundes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Um das Leben meines Freundes
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wie die gekalkten Wände. Hywood schluckte unentwegt, ohne ein Geräusch von sich zu geben.
    Der Schauhausangestellte sah uns fragend an.
    Es kostete mich eine unsägliche Mühe, nur ein einziges Kopfnicken zustande zu bringen.
    Er schlug die Decke zurück, die man über die Leiche gebreitet hatte. Ein wächsener Kopf wurde sichtbar. Bis an den Hals lag ein rotes Gummilaken. Der Körper zeichnete sich darunter ab.
    Aber ich sah nichts vom Körper. Meine Augen hingen wie gebannt an diesem Gesicht. War das Phil? War er es nicht?
    Die Nase war die gleiche. Aber war die Stirn nicht ein wenig niedriger? Oder täuschte ich mich? Hatte Phil tatsächlich so weit auseinanderliegende Augen gehabt? Oder lagen sie gar nicht so weit auseinander? Bildete man sich das nur ein, weil der Tod jedes Gesicht mit seinem Zeichen versieht und dadurch verändert?
    In meiner Brust war ein lange nachhaltender, ziehender Schmerz. Ich betrachtete jede Einzelheit dieses Gesichtes, aber je länger ich es tat, desto größer wurde meine Unsicherheit. Es konnte Phil sein. Er konnte es aber auch nicht sein.
    Auf meiner Stirn stand kalter Schweiß. Ich wischte ihn mit dem Handrücken ab und räusperte mich.
    »Kann«, sagte ich heiser, »kann man vielleicht das Gummilaken Zurückschlagen?«
    Mister High und Hywood sahen mich überrascht an. Der Aufseher nickte gleichmütig und brummte:
    »Warum nicht?«
    Er packte die schwere Gummidecke mit beiden Händen und zog sie langsam zurück. Ich trat näher.
    Das Blut schoß mir mit einem jähen Schlag in den Kopf. Mir wurde heiß, obgleich es hier unten ausgesprochen kalt war.
    »Das«, sagte ich, und meine Stimme war wieder, wie sie immer ist: »Das ist niemals Phil Decker. Phils Körper hat eine Menge Narben und Schrammen. Meine Güte, wie oft hat Phil Kugeln oder Messerstiche durch die Haut bekommen. Da, dieser Leichnam hat nicht die winzigste Spur einer Narbe. Das ist nicht Phil. Gott sei Dank. Phil ist es nicht.«
    ***
    Captain Hywood fuhr in seinem Dienstwagen zurück zum Hauptquartier der Stadtpolizei.
    »Ein Glück«, sagte er zum Abschied, »ein Glück, daß es nicht Decker ist. Solange man seine Leiche nicht hat, solange besteht auch Hoffnung, ihn lebend zu finden.«
    Er sprach genau das aus, was wir dachten. Ich aber war, seit ich den Toten gesehen hatte, auf eine unbegründete Weise davon überzeugt, daß Phil noch lebte. Es gibt Gewißheiten jenseits allen Verstandes, und eine solche Gewißheit, daß Phil noch am Leben war, erfüllte mich auf einmal.
    Mister High kletterte zu mir in den Jaguar. Ohne Sirene fuhr ich diesmal den Weg vom Schauhaus zurück in Richtung auf das Distriktsgebäude.
    »Die Ähnlichkeit war zunächst wirklich frappierend«, sagte der Chef unterwegs.
    »Ja«, stimmte ich zu. »Zuerst dachte ich auch, es wäre Phil. Ich bekam richtig einen Schlag, als ich das Gesicht des Toten sah.«
    Ich fuhr weiter, ohne von Mister High eine Erwiderung zu hören. Aber plötzlich stockte ich. Ein Gedanke zuckte mir durch den Schädel, der mir zuerst unglaubwürdig erschien, der sich aber so hartnäckig in mir festfraß, daß ich beschloß, mir von Mister High eine Bestätigung zu holen, daß es ein absurder Gedanke sei.
    »Man könnte fast denken«, sagte ich zu ihm, »daß uns dieser Tote absichtlich serviert worden ist. Daß wir denken sollen, es wäre Phil.«
    Einen Augenblick herrschte Schweigen. Plötzlich drückte Mister High meinen Arm.
    »Jerry, halten Sie an! Halten Sie auf der Stelle an!«
    Ich wunderte mich zwar, aber ich gehorchte unverzüglich. In der nächsten Parklücke stoppte ich den Jaguar und drehte mich dem Chef zu. Die Augenbrauen von Mister High waren eine gerade Linie. Über der Nasenwurzel bildeten sie eine steile Falte.
    »Sagen Sie das noch einmal!« befahl er.
    Ich zuckte die Achseln.
    »Es ist natürlich Blödsinn, aber mir kam eben der Gedanke, daß es doch ein merkwürdiger Zufall ist. Von tausend Leichen, die in New York ins Schauhaus kommen, gibt es kaum eine, die Phil so ähnlich sieht. Aber ausgerechnet, während Phil verschwunden ist, ausgerechnet jetzt kreuzt ein Toter auf, den man mit Phil verwechseln könnte.«
    Mister High nickte ein paarmal.
    »Gut«, sagte er tonlos. »Sehr gut, Jerry!, Sie haben den entscheidenden Punkt sofort erfaßt! Jahrelang liegt kein Toter im Schauhaus, der auch nur die entfernteste Ähnlichkeit mit Phil hätte. Aber gerade jetzt, wo Phil verschwunden ist, taucht ein solcher Toter auf. Das ist kein Zufall!«
    Ich runzelte

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