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017 - Der Engel des Schreckens

017 - Der Engel des Schreckens

Titel: 017 - Der Engel des Schreckens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Wallace
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verdienen.«
    Was hatte sie gehört? Diese Frage beschäftigte Jack die ganze Zeit über, und er war innerlich verzweifelt, als er sah, wie wenig Einfluß seine Warnung auf Lydia gehabt hatte. Frauen sind geborene Schauspielerinnen, aber in diesem Augenblick verstellte sich Lydia nicht. Sie hatte eine ehrliche Zuneigung zu Jean gefaßt, und Jack sah sehr gut, daß sie alle seine Warnungen als übertrieben und grundlos in den Wind schlug.
    Eine Bestätigung dieser Meinung gab ihm Lydia noch selbst, als er sich vor der Villa Casa von ihr verabschiedete. Es gibt kleine Unterlassungssünden, die recht bedeutungsvoll sind, und als Lydia ihn seiner Wege gehen ließ, ohne ihn zum Essen einzuladen, wußte er, daß er in Ungnade gefallen war.
    »Wann fahren Sie nach London zurück?« fragte sie.
    »Morgen früh, und ich glaube kaum, daß es mir möglich sein wird, noch einmal vorzusprechen.«
    Sie bereute ein wenig ihre Unfreundlichkeit, aber Jack hatte sie geärgert, und je überzeugender er gesprochen hatte, um so mehr wurde ihr Widerspruchsgeist gereizt. Noch eine Frage hatte er an sie zu richten, aber er zögerte.
    »Und das Testament -«, begann er, brach aber sofort ab, als er den abwehrenden Ausdruck in ihrem Gesicht bemerkte.
    Jack war ein sehr verdrießlicher junger Mann, als er zum ›Hotel de Paris‹ zurückfuhr, und kaum war er gegangen, so bereute Lydia schon ihre Schroffheit. Jack Glover war ihr lieber, als sie sich selbst zugeben wollte, und obwohl er sich nur zwei Tage in Cap Martin aufgehalten hatte, fühlte sie sich etwas vereinsamt, als er gegangen war. Und seine merkwürdigen Ansichten über Jean! Sie schob sie energisch beiseite. Und doch - Jean ließ Lydia allein, beobachtete sie, wie sie ziellos im Garten auf und ab schlenderte, ahnte etwas von dem, was im Innern des jungen Mädchens vor sich ging. An diesem Abend empfahl sich Lydia ziemlich frühzeitig, ein anderes bedeutungsvolles Zeichen, das Jean sehr gut bemerkte, aber sie hielt das junge Mädchen auch nicht zurück. Sie wollte mit ihrem Vater sprechen.
    Verdrossen hörte Mr. Briggerland zu, während Jean ihm erzählte, was sie im Salon des Hotels erlauscht hatte. Sie war schon weit über eine Viertelstunde dort gewesen, bevor sie von Jack entdeckt worden war.
    »Ich dachte mir schon lange, daß er ihr zureden würde, ein Testament zu machen«, sagte sie, »und wenn sie auch jetzt davon nichts wissen will, wird sie doch schließlich seinem Rat folgen. Ich glaube aber, wir haben kaum noch eine ganze Woche für uns.«
    »Ich nehme an, dein Plan ist wie gewöhnlich fix und fertig«, brummte Mr. Briggerland. »Was hast du vor?«
    »Ich habe eigentlich drei Pläne«, sagte Jean nachdenklich. »Zwei gefallen mir besonders gut, weil wir sie ohne Hilfe einer dritten Person verwirklichen können.«
    »Ein Plan, bei dem noch ein anderer mithelfen sollte?« fragte Briggerland überrascht. »Ich dächte, ein so geschicktes Mädel wie du -«
    »Verschwende deine Ironie nicht mir gegenüber«, erwiderte Jean ruhig. »Die dritte Person, an die ich gedacht hatte, war Marcus Stepney«, und sie berichtete ihrem Vater die Unterhaltung, die sie mit dem Spieler gehabt hatte. Mr. Briggerland zeigte wenig Enthusiasmus.
    »Ein Dieb wie Marcus wird sich schon vorm Zahlen drücken, und wenn er dich lange genug hinhalten kann, kannst du hinter deinem Gelde herpfeifen. Und übrigens hat ein Mensch wie er nicht viel Sorge vor einer Anklage wegen Bigamie.«
    Jean, die zusammengekauert in einem großen Sessel lag, blickte unter ihren Augenwimpern zu ihrem Vater empor und lachte.
    »Er soll Lydia auch gar nicht heiraten, aber ich mußte ihn doch irgendwie ködern, weil er mir in anderer Weise vielleicht noch nützlich sein kann.«
    »Woher hat er denn die beiden Wunden über dem Handrücken?« fragte Mr. Briggerland plötzlich.
    »Frage ihn doch. Marcus fängt an, etwas ungebärdig zu werden; ich dachte, er habe sich endlich klargemacht, daß ich nicht für die Ehe geschaffen bin. Besonders nicht für die Ehe mit einem Mann, der seinen Lebensunterhalt mit Falschspiel erwirbt.«
    »Aber ich bitte dich, Kleine«, rief ihr Vater.
    »Tu doch nicht so entsetzt«, rief sie spottend. »Du weißt doch ebensogut wie ich, auf welche Weise Marcus lebt.«
    »Der Junge hat dich mächtig gern.«
    »Der Junge ist beinahe sechsunddreißig«, sagte sie kurz. »Und diese Art von Jungen sagt mir nicht sonderlich zu. Er kann nützlich sein, das ist alles.« Sie stand auf, reckte die Arme und

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