0172 - Ghouls in der U-Bahn
verlassen konnten.
Längst schon hatte sie die Gier gepackt. Sie rochen die Nähe der Menschen und waren manchmal drauf und dran gewesen, ihre Verstecke zu verlassen.
Irgend etwas hielt sie zurück. Vielleicht war es der warnende Instinkt, der sie noch warten ließ.
Mitternacht war vorbei, ein neuer Tag begann. Mit ihm trafen auch die Putzkolonnen ein.
Es waren sechs Frauen, meist Farbige, die diesen Job übernahmen. Ein Mann führte die Aufsicht. Er scheuchte die Putzfrauen, wenn sie ihm nicht schnell genug arbeiteten.
Schritte näherten sich.
Beide Ghouls, die bisher träge in ihrem dunklen Gefängnis gelauert hatten, richteten sich auf. Sie spürten, daß irgend etwas geschehen mußte.
Die Opfer waren nah Und schon geschah es. Von der ersten Tonne wurde mit einem Ruck der Deckel abgehoben. Eine ältere Negerin sprach dabei mit ihrer Kollegin, die vor der zweiten Tonne stand.
»Ich habe heute Nacht keine Lust, hier zu putzen. Am liebsten hätte ich krank gemacht.«
»Dann wärst du geflogen, Mary.«
»Unsinn, ich bin sechs Jahre bei der Firma.«
»Und hast dich sechs Jahre lang ausnutzen lassen.«
»Hier wird nicht geredet, sondern gearbeitet!« schrie der Antreiber. »Los, Beeilung!«
Damit gab er das Startsignal für beide Ghouls.
Sie waren nicht mehr zu halten. Plötzlich schnellten sie nach oben, wanden ihre Körper aus dem Versteck. Auch der zweite Deckel klappte hoch, und bevor die entsetzten Frauen überhaupt einen Ton hervorbekamen, sahen sie sich mit den Ghouls konfrontiert.
Mary schrie als erste.
Sie wich instinktiv zurück, das war ihr Glück. Der schleimige Arm verfehlte sie.
Auch ihre Kollegin reagierte prächtig. Sie tat es eigentlich nicht bewußt, es war mehr ein Reflex, bei dem sie nicht mithalf. Sie drückte gegen die leichte Tonne und kippte sie um.
Damit hatte der Ghoul nicht gerechnet. Auch er fiel mit, bevor er sein Gefängnis verlassen konnte.
Mary wurde angegriffen. Sie trug den großen Besen und schlug damit zu. Den Stiel drückte sie in den schleimigen Körper des Ghouls, der zwei dicke Tropfen produzierte, die zu Boden klatschten, ansonsten unverletzt blieb.
Als wäre der Stiel glühend, so hastig ließ Mary den Besen fallen und wandte sich zur Flucht. Sie rannte wie selten in ihrem Leben, und auch ihre Kollegin lief mit.
Die Schreie der Frauen hallten durch das unterirdische Gewölbe und wurden von den kahlen Wänden zurückgeworfen.
Andere Menschen wurden aufmerksam und blickten den rennenden, schreienden Frauen entgegen.
Die Lage spitzte sich dramatisch zu, denn auch der nächste Zug lief in den Bahnsteig ein…
***
Ich mußte grinsen.
Der Kerl vor uns auf dem Boden war alles andere als ein Ghoul. Er stank zwar auch, jedoch nach Schnaps und billigem Wermut. Auch der Körpergeruch war nicht gerade eine Wohltat für unsere Nasen. Zudem schlief der Typ selig und ahnte nicht, in welch einer Gefahr er steckte. Er brauchte sich während des Schlafs nur mal zur Seite zu drehen, schon fiel er auf die Schienen, und wenn ein Zug andonnerte, war es um ihn geschehen.
Suko bückte sich und stieß ihn an.
Der Schläfer grunzte zweimal und schüttelte sich unwillig. Durch gemeinsames Rütteln schafften wir es, ihn aus Morpheus Armen zu reißen. Suko stellte ihn auf die Beine und drückte ihn in eine Nische.
Ein unrasiertes Gesicht mit leicht verdrehten Augen starrte uns an.
Säuerlich riechender Atem wurde uns entgegengepustet. Ich wandte mich ab.
»Was wollt ihr denn?« nuschelte der Typ. »Es ist doch noch kein Morgen, ich will…«
»Du willst jetzt verschwinden«, sagte Suko und drehte den Mann herum.
Am Kragen gepackt, schob er ihn voran.
»He, ihr Brüder. Was soll das? Kann man nicht in Ruhe sein Schläfchen halten?«
»Nein.«
Suko ging den Weg zurück. Ich wartete noch. Wahrscheinlich würde mein Freund den Penner auf eine Bank setzen. Dort befand er sich in Sicherheit.
Suko hatte etwa die Hälfte der Strecke hinter sich gebracht und wurde bereits von den Ausläufern des kalten Lichts getroffen, als wir die Schreie hörten.
Augenblicklich war ich alarmiert.
Die Ghouls hatten sich gezeigt. Etwas anderes kam für mich überhaupt nicht in Frage.
Auch Suko hatte den Penner stehenlassen, sich halb gedreht und winkte mir.
Ich rannte schon.
Mein Partner hatte einige Schritte Vorsprung, den ich auch nicht wettmachte.
Im Laufen nahm ich die Eindrücke auf und sah die Vorgänge, die sich auf dem Bahnsteig abspielten.
Mehrere farbige Frauen rannten in wilder
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