0175 - Der unheimliche Totengräber
ein.
»Ich begleite dich.«
»Und läßt die Frauen hier allein, wie?«
»Sorry.« Bill senkte den Kopf.
»Nein«, sagte ich, »so geht es auf keinen Fall. Sie müssen hier zusammenbleiben. Niemand darf das Haus verlassen. Wer außer uns befindet sich noch hier?«
»Küchenpersonal und Harry, der Butler.«
»Schärfen Sie den Leuten ein, das Haus nicht zu verlassen«, wandte ich mich an den Herzog. »Aber verschweigen Sie um Himmels willen den Grund.«
»Sicher.«
»Werden Vampire nicht erst um Mitternacht wach?« erkundigte sich Lady Anne mit zittriger Stimme.
Ich lächelte. »Nur im Film, Mylady.«
»Na ja, ich dachte nur.«
»Auch Vampire sind zum großen Teil mit der Zeit gegangen. Ich kenne welche, die existieren sogar am Tage. Ihnen macht das Licht nichts aus. Sie haben sich gewissermaßen der modernen Gesellschaft angepaßt, ohne dabei ihre ureigensten Fähigkeiten verloren zu haben. Nach wie vor sind Särge und Grüfte ihre bevorzugten Übernachtungsstätten, aber man findet sie auch in normalen Häusern. Sogar auf dem Meeresgrund hat ein Vampir gelegen, bis er von einem Menschen erweckt worden ist.« Ich dachte dabei an Vampiro-del-mar, der zu Dr. Tods Mordliga gehörte. Uns war es noch immer nicht gelungen; diese dämonische Bande zu zerschlagen.
»Das ist ja fürchterlich, Mr. Sinclair«, flüsterte die Herzogin.
Ich lächelte sparsam. »Man gewöhnt sich im Laufe der Zeit daran.«
»Sie vielleicht, Oberinspektor. Ich nicht.«
»Das ist möglich.«
Ich schaute auf meine Uhr. Draußen mußte es bald dunkel werden.
Durch die geschlossenen Vorhänge konnte man leider nicht viel sehen, doch die Zeit war reif.
Ich zog meine Beretta aus der Halfter. »Nimm sie, Bill«, sagte ich.
»Und du?«
»Die Ersatzwaffe liegt im Wagen.«
»Okay, danke.«
Ich schärfte allen Anwesenden noch einmal ein, sehr vorsichtig zu sein und zusammenzubleiben. Auch das Personal mußte Bescheid wissen.
Diese Aufgabe wollte Sir Sheldon Quinnthorpe übernehmen. Er begleitete mich auch bis zur Tür.
Dort reichte er mir die Hand. »Viel Glück, Mr. Sinclair«, sagte er. »Räumen Sie mit dieser Pest auf.«
»Ich werde es versuchen.«
Dann ging ich.
***
Zuerst blieb er ruhig liegen, als wäre überhaupt nichts geschehen. Er stierte auf die Klinge und spürte keinen Schmerz, sah auch kein Blut, aber dafür überfiel ihn die Erinnerung.
Schon einmal hatte er die Klinge gesehen. Das war, als er sich dem Vampir stellte. Da war der Blutsauger mit einem Degen bewaffnet gewesen und er nur mit seiner Schaufel. Der Vampir war schneller gewesen, hatte ihm den Degen in den Leib gestoßen, ihn dann in das Grab geworfen und es danach zugeschaufelt.
Nur etwas war anders.
Damals war Jock Gray ein Mensch gewesen, da hatte der Degenstoß für ihn tödliche Folgen gehabt, jetzt allerdings existierte er auch noch, aber als Zombie.
Und heute machte ihm ein Stoß mit der Degenklinge nichts mehr aus.
Das schien der Vampir nicht zu wissen.
Er lag unter dem Bett. Der Totengräber hörte genau das Hecheln, und ein häßliches Kichern.
Dann verschwand die Klinge. Der Blutsauger hatte sie wieder zurückgezogen. Er schien wohl anzunehmen, daß sein Rivale nicht mehr lebte.
Der unheimliche Totengräber bestätigte ihn in der Annahme. Er rührte sich nicht.
Steif blieb er liegen.
Unter dem alten Bett hörte Jock Gray ein Schaben. Dann lachte jemand häßlich, und als der Totengräber den Kopf zur Seite drehte, sah er einen Arm, einen Teil der Schulter und einen Kopf unter dem Bett hervortauchen.
Er kannte die Gestalt.
Es war der Vampir!
Auch er hatte die vergangenen 100 Jahre überlebt, genau wie der Totengräber. Er kroch unter dem Bett hervor und Gray schaute auf seinen Rücken.
Dann schlug er zu.
Wie ein Hammer fiel die schwere Hand des Zombies nach unten und traf den Rücken des Vampirs. Der hatte damit nicht gerechnet, stieß einen grunzenden Laut aus und knickte zusammen.
Blitzschnell war Gray vom Bett. Kaum einer hätte dieser Gestalt die Schnelligkeit zugetraut, er trat gegen den Kopf des Blutsaugers, und der Tritt schleuderte den Vampir auf den Rücken. Schmerzen verspürte er nicht, Jock Gray wollte ihn nur nicht zur Ruhe kommen lassen, um sein Vorhaben ausführen zu können.
Bevor der Vampir zur Gegenwehr ansetzen konnte, bückte sich Gray und packte seinen Spaten. Das blanke Schaufelblatt blitzte, als er das Gerät drehte und im nächsten Augenblick setzte er die Spitze gegen die Kehle des Vampirs.
Der Blutsauger
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