0175 - Der unheimliche Totengräber
Grab.
»Wo steckt der Totengräber?« fragte ich. Eine Antwort darauf brannte mir auf dem Herzen.
Der Vampir verzog sein Maul. »Du suchst ihn, nicht?«
»Ja.«
Jetzt lachte der Blutsauger meckernd. »Das habe ich mir gedacht. Aber er ist gegangen, er will dem Herzog und seiner Familie einen Besuch abstatten. Sicherlich ist er schon in dem Haus eingetroffen. Und er hat seinen Spaten mitgenommen. Kannst du dir denken, für wen er ist?«
Das war ein Tiefschlag. Ich machte mir die schlimmsten Vorwürfe und dachte an die Geräusche, die ich im Wald gehört hatte. Es war kein Tier gewesen, sondern der Totengräber. Er war durch das Dickicht gestampft.
»Und ich hätte nie gedacht, so schnell ein neues Opfer zu bekommen«, erklärte mir der Vampir. »Dein Blut wird mir besonders gut schmecken.«
»Wer bist du?«
»Kargov.«
»Lebst du schon lange hier?«
»Über hundert Jahre. Ich bin aus Rumänien gekommen, nachdem einer der Ahnherren des Herzogs den Sarkophag hat wegschaffen lassen. Da steckte ich in einem Laderaum auf dem Schiff. Niemand hat mich bemerkt, und ich gelangte ungesehen nach England, wo ich mir meine Opfer holte.«
»Dann gibt es noch mehr Vampire hier in der Nähe?«
»Nein, ich habe die blutleeren Leichen verbrannt.«
Kargov war ein Teufel. Das merkte ich immer deutlicher. Daß ein Vampir seine Opfer verbrannte, hatte ich noch nie erlebt, so etwas war ungeheuerlich.
»Und dich, Fremder, werde ich auch verbrennen, nachdem ich dein Blut getrunken habe!«
Er starrte mich an. Den rechten Arm hielt er vorgestreckt. Die Spitze der Klinge zeigte etwas schräg nach oben. Sie zielte genau auf meinen Hals.
Er würde zustoßen, dessen war ich mir sicher.
Da zückte die Klinge schon vor!
***
Sir Sheldon Quinnthorpe kehrte zu den anderen zurück und schloß die Tür.
Gespannte Gesichter schauten ihn an. Der Herzog lächelte. »Es ist alles in Ordnung«, gab er bekannt. »Ich habe dem Personal Bescheid gegeben.«
»Und wie haben die Leute reagiert?« wollte Bill Conolly wissen.
Der Viscount hob die Schultern. »Das kann ich Ihnen nicht genau sagen, denn ich habe Harry, dem Butler, Bescheid gegeben. Er sollte es den anderen mitteilen.«
»Können Sie sich auf Harry verlassen?«
»Hundertprozentig, Mr. Conolly. Harry ist seit über zwanzig Jahren bei uns angestellt und absolut vertrauenswürdig, sonst hätte ich ihn schnell entlassen.«
»Hat er dir geglaubt?« fragte Lady Anne.
»Das weiß ich nicht. Ich an seiner Stelle hätte mich allerdings auch schwer getan.«
»Wir sollten einen Teil des Parks im Auge behalten«, schlug Sheila vor.
»Vielleicht ist dieser Totengräber, falls er überhaupt kommt, so abgebrüht und von sich überzeugt, daß er einfach durch den Haupteingang marschiert.«
Bill lächelte. »Die Möglichkeit halte ich für unwahrscheinlich, aber wir können trotzdem nachschauen.«
Sie stellten sich an den Fenstern auf. Die Vorhänge wurden ein wenig zur Seite geschoben, so daß sie eine bessere Sicht besaßen.
Links und rechts neben dem Eingang standen zwei Laternen. Sie hatten kugelige Leuchten, die einen milchigen Schein verbreiteten und so zwei helle Inseln in der Luft schufen. Restlicht erreichte den Lack der abgestellten Wagen und belegte ihn mit einem gelblichen Schimmer. Zu sehen war nichts.
Hinter der Kiesauffahrt begannen die Bäume. Sie lagen in absoluter Dunkelheit.
Die Warnung des Butlers an das übrige Personal schien gefruchtet zu haben, vor dem Haus ließ sich jedenfalls kein Mensch blicken.
Fünf Minuten verstrichen. Niemand der Anwesenden redete. Alle hingen ihren Gedanken nach. Den Frauen war am stärksten anzusehen, wie sehr sie sich fürchteten. Ihre Augen zeigten einen ängstlichen Ausdruck, während Bills Gesicht und das des Herzogs unbewegt blieben.
»Ich sehe nichts.« Sheila Conolly sagte dies und ließ den Vorhang wieder in seine alte Lage rutschen.
Auch Lady Anne wandte sich um.
»Man könnte ja mal auf dem Gang nachschauen«, schlug der Herzog vor.
»Das ist zu gefährlich!«
Lady Anne hatte die Antwort gegeben. Ihr Mann lächelte. »Ich finde es sehr lieb, daß du so um mich besorgt bist, aber es hilft uns nichts, wenn wir hier herumstehen.«
»Ich schaue nach«, sagte Bill.
Sheila wollte ebenfalls etwas sagen, verstummte jedoch, als sie Bills Blick sah. Es gab Situationen, da sagte sie nichts mehr, sondern hielt sich zurück. Sheila wußte genau, wie weit sie gehen durfte.
Bill zog die Beretta. Mit schußbereiter Waffe näherte er
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