0176 - Schamanen-Terror
sie für Augenblicke gewesen zu sein glaubte. Aber dieser Eindruck war flüchtig, es gab keine konkreten Anhaltspunkte.
Jetzt befand sie sich in einer hölzernen Hütte, stellte sie fest. Eine Art Jurte ohne Fenster, nur mit einer Tür. Sie schloß nicht dicht ab, und durch die Ritzen fiel Licht. Auch die Wände waren nicht hundertprozentig dicht. Wenn es hier einmal regnete, mußte es im Hütteninnern recht feucht werden.
Uschi versuchte, sich aufzurichten. Dabei mußte sie die Feststellung machen, daß man sie gefesselt hatte.
»Moni?« fragte sie gedämpft.
Aber im nächsten Moment wußte sie, daß sie sich diese Frage hätte sparen können. Sie spürte es, daß Monica nicht bei ihr war. Man hatte sie getrennt. Vielleicht war Monica überhaupt nicht mit hierher geholt worden. Aber eine andere Gestalt machte bei ihrem Anruf Anstalten, sich aufzurichten, schaffte es aber ebensowenig. »Who ist there?« hörte Uschi eine Frauenstimme durch das Dämmerlicht der Hütte dringen.
Eine Engländerin? Amerikanerin? Oder?
Sie forschte nach, nannte ihren Namen.
»Ich bin Liz Vanguard«, sagte die andere Frau in englischer Sprache.
Es dauerte nur ein paar Minuten, bis sie sich gegenseitig ihr Schicksal erzählt hatten.
»Es ist ungeheuerlich«, sagte Liz Vanguard. »Ich dachte erst, in eine Art Geheimdienst-Intrige geraten zu sein, denn wer kann sich normalerweise schon leisten, eine ganze Hoteletage zu mieten? Aber diese Geschehnisse… wie, sagtest du, sah die Fratze aus? Kannst du sie noch einmal beschreiben?«
Uschi versuchte, sich zu erinnern. Eine breite Nase in einem faltigen, braunen Gesicht… sie beschrieb jede Einzelheit, an die sie sich erinnern konnte.
»Das könnte ein Ur-Australier sein«, überlegte Liz. »Vielleicht ein Shamane, ein Dorfzauberer…«
»Aber wie kann sein Einfluß bis nach Europa, bis nach Deutschland reichen?« fragte Uschi. »Australien liegt doch auf der anderen Hälfte der Erdkugel.«
»Ich weiß es nicht«, erwiderte Liz. »Die gesamte Thematik war mir bis heute fremd. Man hört zwar hin und wieder, daß die Schamanen allerlei Zauberkunststücke zuwege bringen, aber wenn man dann auf den Bühnen die Zauberer und ihre Taschenspielertricks sieht… ich kann es jetzt noch kaum fassen.«
»Wir sollten vielleicht versuchen, unsere Fesseln loszuwerden«, schlug Uschi vor. »Ich schätze, daß wir in einer Hütte im Dorf dieses Schamanen sind.«
»Die Idee ist nicht gerade eine der sieben schlechtesten«, bemerkte Liz. »Warte, ich rolle mich ein wenig auf dich zu.«
Uschi kam ihr mit gleichartigen Bewegungen entgegen, bis sie schließlich so nebeneinander lagen, daß sie sich mit den gefesselten Händen erreichen konnten. Das schwierige Geschäft der Entfesselung begann. In den Western und Krimis, die Uschi zuweilen las, war das immer ganz einfach und ging ziemlich schnell. In der Wirklichkeit sah die Sache anders aus. Die Knoten waren fest und die Schnüre zäh. Hinzu kam, daß sie aus einem faserigen Material geflochten waren, so daß man zwei Schnüre praktisch nur nebeneinander zu legen brauchte, um sie schon halbwegs fest miteinander zu verbinden - durch die unzähligen Fasern, die sich ineinander verfingen.
Der Schweiß trat ihr auf die Stirn, während sie versuchte, die Fesseln der Australierin zu entknoten. Das Ganze wurde dadurch erschwert, daß man beiden die Hände auf den Rücken gefesselt hatte und sie daher knoten mußte, ohne sehen zu können, was sie tat und was geschah.
Es schienen Stunden vergangen zu sein, bis sie den ersten Knoten gelöst hatte.
Als sie den zweiten Knoten geöffnet hatte, erklangen draußen Stimmen. Zwei Männer schienen heftig miteinander zu streiten. Aber Uschi kannte die Sprache nicht, in der sie sich unterhielten. Sie verstand kein einziges Wort. Flüsternd fragte sie die Australierin.
»Ich verstehe auch nichts«, gab Liz Vanguard leise zurück. »Es muß die Sprache der Ureinwohner sein.«
»Versuche, ob du aus den Fesseln schlüpfen kannst«, fragte Uschi, »zwei Knoten sind los.«
Liz begann zu arbeiten. Plötzlich hatte sie tatsächlich eine Hand frei. Von da an war es ein Kinderspiel im Vergleich zu der vorhergegangenen Quälerei, wenngleich es in dem Dämmerlicht der Hütte auch jetzt noch ein kompliziertes Unterfangen war.
»Hoffentlich kommen die beiden nicht zwischenzeitlich herein«, befürchtete Uschi.
Doch die Stimmen verstummten wieder. Draußen blieb alles still. Nach ein paar Minuten konnte auch Uschi sich
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