018 - Der Mönch mit den Teufelskrallen
erfuhren, dass die zweite
Geflüchtete im Garten getötet worden sei. Die Dinge verliefen im Sand. Die
Heimleitung, mit der ich die Aufnahme zweier Neulinge besprach, war mir zwar
nicht sonderlich sympathisch, aber das steht schließlich nicht zur Diskussion.
Ich konnte heimlich einen Blick in die Personalkartei werfen. Ich fand den
Namen des Mädchens, das angeblich in dem verwilderten Garten ermordet worden
war, im Entlassungsverzeichnis. Die Papiere waren echt. Der Präsident des
Vereins, Señor Fardez, hatte sie unterzeichnet. Ich muss noch erwähnen, dass
meine Schwester manchmal wirr daherredete. Vielleicht wollte sie sich auch nur
hervortun und sich auf irgendeine Weise für die Schmach, die man ihr angetan
hatte, rächen. Die Behandlung im Haus der
Hoffnung ist streng aber gerecht, so habe ich den Eindruck gewonnen. Nur
die schwersten Fälle werden dort eingeliefert. Es ist fast ein Zuchthaus für die
Mädchen, wenn man sie so hört. Ich habe dennoch nach meiner Rückkehr für meine
vorgesetzte Dienststelle einen Bericht verfasst. Zu einem zweiten Gespräch kam
es mit meiner Schwester nicht mehr. Sie ist etwa sieben Monate später in einer
Klinik an Tuberkulose gestorben. Es ist mir, offen gestanden, ein wenig
unverständlich, weshalb Ihre Organisation so großen Wert auf meine damaligen
Beobachtungen legt, und wie sie überhaupt darauf gekommen ist, dass ...«
»Sie sind
nicht darauf gekommen, Isabel«, sagte X-RAY-3 vorsichtig. »Mit einer
Routinemeldung kam auch Ihr Bericht in die Staaten, wurde von den Computern
meiner Abteilung registriert und die Daten gespeichert. Man konnte mit dieser
Meldung damals nichts anfangen. Das hat sich schlagartig geändert, als sich vor
wenigen Tagen eine junge Spanierin in den Staaten mit einem seltsamen
Telefonanruf bei der Polizei meldete. Dabei fiel der Begriff Haus der Hoffnung , und ihr Bericht wurde
hervorgekramt. Der Besitzer des geheimnisvollen Gartens, in dem angeblich ein Verbrechen
geschehen ist, wie heißt er?«
»Ramon
Sostello.« Isabel erklärte ihm die Lage des Klosters und des Gartens.
Als sie
gegangen war, eilte Larry zum nächsten Telefonhäuschen, um einige Worte mit Dr.
Forster zu sprechen. Sein zweiter Anruf galt einem Kontaktmann der PSA. Larry
umriss kurz seine Lage und erhielt eine Verbindung zu einem amerikanischen
Basis-Offizier, der ihm versprach, einen Hubschrauber zur Verfügung zu stellen.
Zehn Minuten
später bestieg Larry den Helikopter.
●
Zur
Mittagszeit landete der Helikopter vier Kilometer von Deleitosa entfernt am Fuß
des Gebirgszuges. Sie hatten den großen Garten, den Isabel de Navaro
beschrieben hatte, überflogen – ein gewaltiges Grundstück in der Nähe des
schmalen Bergpfades, der zum Kloster führte. Als sich Larry Brent von dem
Piloten verabschiedete, musste er noch etwa anderthalb Kilometer zu Fuß gehen,
um wieder in die Nähe des Gartens zu kommen. Das Grundstück lag wie eine Oase
am Fuße des Berges, zwischen riesigen Felsen und Felsbrocken.
Während er ungesehen
am Zaun entlangging, warf er immer wieder einen Blick ins Innere der Anlage und
sah hinter den dichten Reihen der Obstbäume die Umrisse eines braunen
Holzhauses.
Er kam an eine
massive Holztür, legte die Hand auf die Klinke und stellte überrascht fest,
dass sich die Tür öffnen ließ. Hatte der Besitzer einen kleinen Spaziergang
gemacht, oder ließ sich das Tor nicht abschließen?
Letzteres
schied sofort aus. Er entdeckte einen Schlüssel an dem verrosteten Nagel und
hängte ihn ab. Er probierte – das Schloss funktionierte.
Die Situation
behagte ihm nicht. Sein Gefühl sagte ihm, dass hier etwas nicht in Ordnung war.
Unwillkürlich spannten sich seine Muskeln.
Er drückte die
Tür leise zu und blieb auf dem breiten, gepflegten Weg. Isabel de Navaro hatte
erzählt, dass Ramon Sostello fast nur in seinem Garten anzutreffen sei. Er sei
ein Sonderling, ein Einsiedler, von dem man kaum mehr wusste als seinen Namen.
Langsam
bewegte sich Larry unter den schattenspendenden Obstbäumen auf das abseits
stehende Holzhäuschen zu. Zwischen dem Haus und dem nahestehenden Schuppen
befand sich ein schmaler überdachter Weg. An der Hauswand lehnte ein Holzstoß,
genau gegenüber hingen Gartengeräte, ein Rechen, eine Harke, zwei Mistgabeln.
Und dort
tauchte, wie aus dem Boden gewachsen, ein Schatten auf.
Der Angreifer
sprang ihn unvermittelt an. Larry erkannte, dass er eine Kutte trug. Ein
Mönch?! Larry wurde kräftig zur Seite gestoßen, verlor
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