019 - Lockruf der Zombies
behauptete, seine Zauberkräfte hätten nachgelassen und deshalb wäre er von seinen Freunden verstoßen worden. Aber Cruv mißtraute dem Zauberer nicht nur deswegen.
Als sich Soltaff ihnen anschloß, fühlte er immer deutlicher, daß der magere, kahlköpfige Magier etwas gegen sie im Schilde führte. Die Probe lieferte den Beweis.
Cruv pflückte die Beeren der Freundschaft. Während sie der schönen Roxane hervorragend schmeckten, waren sie für Soltaff gallebitter.
Nun wußte es Cruv mit Sicherheit: das freundliche Getue des Alten war gespielt. Soltaff schien Roxane in Sicherheit wiegen zu wollen, damit er über sie herfallen konnte, wenn sie völlig ahnungslos war und ihm blind vertraute.
Was sie bis jetzt nicht gewußt hatte, sagte ihr der Gnom: Es gab Mord-Magier auf Coor. Sie zogen einsam und harmlos wirkend durch das Land und töteten jeden, dem sie begegneten.
Für Cruv stand fest, daß auch Soltaff dies vorhatte. Es war nur noch unklar, wie es der Mord-Magier tun würde.
Als Soltaff sich zur Ruhe begab, wollte Cruv – er hatte schon mal kurz eine blaue Tätowierung zu sehen geglaubt, als der Wind das Schultertuch leicht anhob – unter dieses Tuch sehen.
Roxane untersagte es ihm zwar, aber nicht mit dem nötigen Nachdruck, denn im Grunde war auch sie neugierig und wollte erfahren, was der Alte unter seinem Schultertuch verbarg.
Sie erlebten eine entsetzliche Überraschung.
Die Tätowierung auf Soltaffs Rücken war ein grauenerregendes Kunstwerk, das eine schreckliche Bestie darstellte.
Und diese Bestie lebte!
Mit einem markerschütternden Gebrüll löste sich von Soltaffs Rücken ein gefährliches Ungeheuer, dessen große Augen ein kaltes, lähmendes Licht abstrahlten.
Roxane sah lange, säbelartige Reißzähne. Das Untier hatte einen geschmeidigen Raubtierkörper und große, krallenbewehrte Tatzen. Das also war das Geheimnis des Mord-Magiers. Jetzt war Roxane und Cruv klar, auf welche Weise dieser alte, zerbrechlich wirkende Zauberer seine Opfer tötete.
Er brauchte ihnen nur den Rücken zuzukehren und das Schultertuch abzunehmen. Alles andere besorgte dann die Bestie.
Cruv ergriff in heller Panik die Flucht. Er versteckte sich hinter Roxane, während sich das mordlüsterne Scheusal zum Sprung duckte.
Soltaff erhob sich. Er hatte nur so getan, als schlief er. Er schien geahnt zu haben, daß Cruv seine Neugier nicht unterdrücken konnte.
Der Mord-Magier lachte rauh. Sein mageres Gesicht verzerrte sich zu einem abstoßenden Grinsen. »Ihr werdet den Tunnel der Kraft nie finden, weil euch meine Bestie heute nacht zerreißt!«
Das Ungeheuer fauchte und knurrte aggressiv.
»Warum tust du das?« fragte Roxane mit belegter Stimme.
»Weil er ein Mord-Magier ist!« antwortete Cruv an Stelle von Soltaff. »Er wurde nur für diese eine Aufgabe geschaffen. Er muß töten!«
»Sehr richtig, Gnom«, bestätigte der Alte. »Jedem ist im Leben eine bestimmte Aufgabe übertragen. Meine ist es, Leben zu vernichten.«
Roxane erinnerte sich, daß sie in jenem tückischen Teich baden wollte, aber Soltaff hatte sie davor gewarnt. Warum? Sie fragte ihn.
Er lachte. »Ich wollte dich für mich haben. – Jeder, der meine Tätowierung sieht, ist dem Tod geweiht. Ihr hättet noch kurze Zeit leben können, wenn Cruv nicht so neugierig gewesen wäre. Er hat die Bestie vorzeitig geweckt. Nun gut, dann soll sie euch eben heute schon fressen. – Friß sie!« schrie Soltaff mit schnarrender Stimme, und das Ungeheuer stieß sich brüllend vom Boden ab.
***
Auf der CALYPSO waren sechs Tote zu beklagen, und es gab viele Verletzte. Mr. Silver machte klar Schiff. Er ging von einem Zombie zum anderen und legte auf jeden die Breitseite der Klinge seines Höllenschwerts, worauf sich die Geisterpiraten auflösten.
Meine Freunde und ich halfen, wo wir konnten. Wir schlugen dem Kapitän vor, Cullkirk anzusteuern, doch er wollte nach Edinburgh, seinem Ziel- und Heimathafen, weiterfahren.
Ergriffen sprach er uns seinen Dank aus. Er wußte, daß er ohne unsere Hilfe niemals mit den Zombie-Piraten fertiggeworden wäre. Die Untoten hätten die ganze Mannschaft ausgerottet, wenn wir nicht dazwischengefahren wären.
Ich wünschte Richard Adams viel Glück für die Weiterfahrt.
»Wenn ich das zu Hause erzähle, wird man mir kein Wort glauben«, sagte er. »Aber ich kann nicht schweigen. Schließlich muß ich doch erklären, wieso ich mit sechs Toten nach Hause komme.« Er schaute mich besorgt an. »Besteht die Gefahr, daß wir
Weitere Kostenlose Bücher