0192 - Hotel zur dritten Hölle
sicher, Herr Mallmann. Wir sind ein Haus, in dem es sehr persönlich zugeht. Da werde ich doch die Namen unserer lieben Gäste behalten.«
»Ja, ja, natürlich.«
Will sagte dies zwar, aber er war noch immer nicht überzeugt. Er begriff es einfach nicht. Das kam ihm hier zu unwirklich vor. Wie ein Traum.
Genau! Traum, das war der richtige Ausdruck.
Automatisch ging er vor.
Ein Mädchen kam ihm entgegen. Jung, blond, mit einer guten Figur.
Aus großen Augen schaute ihn die Kleine an. Dann blieb sie vor ihm stehen. Ihr Gesicht veränderte sich. Es sollte ein Lächeln sein, aber das war es wohl nicht. Dazu sah es einfach zu verzerrt aus.
»Hallo«, sagte sie.
Will grüßte zurück.
»Was machen Sie hier im Hotel? Ein neuer Gast. Wie interessant.«
Sie berührte Will.
Mallmann zuckte zurück.
Die Hände! Meine Güte, sie waren eiskalt. Wie Totenklauen. Ein Schauer rann über den Rücken des Kommissars.
»Was ist denn?« fragte die Kleine, als sie sah, daß der Mann nicht so reagierte, wie sie es gern wollte.
»Nichts, nichts.«
»Darf ich vorbei?«
»Selbstverständlich.« will Mallmann trat zur Seite, während der Mann in Schwarz lächelnd daneben stand.
Das Mädchen lächelte dem Kommissar noch einmal zu und passierte ihn. Will drehte den Kopf. Er schaute ihr nach und glaubte, seinen Augen nicht mehr trauen zu können.
Der Rücken des Mädchens war eine einzige große Wunde.
Für Sekunden schloß der Kommissar die Augen. Er wollte zur Waffe greifen, als das Mädchen bereits verschwunden war. Dafür drehte er sich um und wandte sich an den Mann in Schwarz.
»Haben Sie das gesehen?«
»Was?«
»Den Rücken des Mädchens.«
»Ja, was ist mit ihm?«
Der Mann schaute Will ins Gesicht. Zum erstenmal bemerkte der Kommissar die verfallene Haut, die irgendwie lappig um die Knochen hing. Er schauderte.
»Wer sind Sie eigentlich?«
Der Mann in Schwarz lächelte nur. »Ich bin der Tod!«
Pfeifend holte der Kommissar Luft. Er wollte etwas sagen oder seine Waffe ziehen, statt dessen aber streckte er nur seinen Arm aus, berührte den anderen und zog die Hand so schnell zurück, als hätte er sie sich verbrannt.
Wie ein elektrischer Schlag hatte es ihn durchzuckt. Das war nicht normal.
Aber was war hier normal?
Will Mallmann stöhnte auf. Er glaubte, in diesem Haus noch verrückt zu werden.
»Kommen Sie mit«, sprach ihn der Tod an. »Ich habe etwas für Sie.«
»Wer sind Sie?«
Der Tod lächelte. »Das habe ich Ihnen doch schon gesagt. Ich bin der Tod.«
»Unsinn. Sie müssen einen Namen haben.«
Der Mann in Schwarz gab keine Antwort. Statt dessen machte er eine einladende Handbewegung, so daß sich Will Mallmann gezwungen sah vorzugehen.
Kopfschüttelnd und mit Pudding in den Beinen schritt er hinunter in die Rezeption.
Erst jetzt fiel ihm auf, daß nur seine Schritte zu hören waren. Nicht die der anderen, und auch die Stimmen klangen nicht normal, sondern gedämpft, als würde die Lautstärke gefiltert. Da stimmte doch einiges nicht.
Vor dem Kommissar hockte ein Mann in einem Sessel. Er trug eine bunte Jacke und hatte Will bisher den Rücken zugewandt. Dann drehte er sich um.
Der Kommissar erschrak. Der Mann sah völlig normal aus. Bis auf die Axt, die in seiner Stirn steckte und auf der Aufprallstelle verkrustetes Blut zeigte.
Er lächelte.
Will fühlte sich einer Ohnmacht nahe. Zuviel war auf ihn eingestürmt.
Er konnte die neuen Eindrücke noch nicht fassen und in eine Reihe bringen.
Das konnte nicht sein, was man ihm da zeigte. Es war ein schrecklicher Alptraum, aus dem er irgendwann erwachen würde. Er erwachte nicht, weil er nicht schlief.
Will Mallmann erlebte hier eine gespenstische Realität. Zusammen mit dem Tod hatte er die Treppe hinter sich gelassen. Sie wandten sich nach rechts, der Rezeption zu.
Dort stand eine Frau. Schon älter, bestimmt fünfzig. Die Haare waren grau. Das Gesicht war faltenreich. Zwischen Kopf und Brust klaffte eine kaum verheilte Wunde.
Und trotzdem sprach die Frau. Sie lächelte sogar. »Was haben Sie für Sorgen, Herr Mallmann?«
Will wischte sich über die Augen. Er streckte seine Arme vor und klammerte sich am Handlauf der Rezeptionstheke fest. Er mußte dies einfach tun, sonst hätten seine Beine nachgegeben, und er wäre gefallen.
»Er fühlt sich nicht wohl«, antwortete der Tod, »und möchte etwas trinken.«
»Natürlich, das kann ich verstehen.« Die Frau nickte und bückte sich, während der Tod neben Will Mallmann stehenblieb, wobei er
Weitere Kostenlose Bücher