0193 - Duell der Magier
weiland jenen Burschen, der mit einem roten Mäntelchen angetan mitten in der City an Hausfassaden und Dächern herumkletterte und dies als »bewegte Kunst« erklärte, während die Feuerwehr diese bewegte Kunst mißverstand und mit Sprungtuch und Leitern anrückte, um den vermeintlichen Selbstmörder von seinem Tun abzuhalten. Und das war noch gar nicht so lange her…
Plötzlich setzten sich die beiden wieder in Bewegung. Kurz drehte der Zauberer den Kopf, und Stanton glaubte von magischen Pfeilen durchbohrt zu werden, als der Blick des Unheimlichen über den Audi glitt. Aber offenbar hatte er den kauernden Schriftsteller dahinter nicht entdeckt, denn er reagierte nicht.
Als Stanton, der sich unwillkürlich geduckt hatte, wieder hochkam, sah er gerade noch ein seltsames Flimmern. Im nächsten Moment waren die beiden Unheimlichen verschwunden.
Wohin?
Und was würden sie dort tun, wo sie auftauchten?
***
Bernd Rollenkamp und Jörg Tewes hatten in ihrem Hotelzimmer eine Weile mit Grundsatzdiskussionen und Planungen für den Rest des Abends und den morgigen Tag zugebracht.
Jörg zeigte sich dabei wenig begeistert, es in der Nähe eines Professors aushalten zu müssen, auch wenn dieser Professor weniger wie ein trockener Akademiker, sondern eher wie ein Filmheld wie James Bond oder einer seiner Kollegen aussah und sich auch durchaus nicht so verknöchert wie ein altgedienter Hochschuldozent gab. »Wie die beiden Mädchen an diesen Uni-Hengst gekommen sind, würde mich doch mal interessieren! So was…«
Bernd winkte ab, während draußen das Gewitter aufzog und die ersten Blitze zu zucken begannen. »Er wirkt sehr vernünftig, außerdem haben wir bei ihm kein Fach belegt. Also können wir uns ein wenig natürlicher geben. Er ist nicht unser geborener Feind.«
»Mach das mal meinem Unterbewußtsein klar. Bis zum Semesterende muß ich noch drei Arbeiten anfertigen, um meine Leistungs-Scheine zu bekommen, und damit ist jeder Prof und sein kritischer Blick mein natürlicher Feind!«
»Wir werden uns an ihn gewöhnen. Vielleicht geht er mit seiner flotten Begleitung ohnehin eigene Wege«, brummte Bernd. »Laß uns lieber mal sehen, was die Mädchen machen. Vielleicht brauchen sie männlichen Trost.«
Wieder zuckte draußen ein Blitz.
»Es ist vielmehr so, daß ich weiblichen Trost brauche«, stellte Jörg fest. »Gewitter ist nämlich ungesund.«
Sie hatten es nicht weit. Das andere Doppelzimmer lag direkt nebenan. Aber auf ihr Klopfen reagierte niemand, und als Bernd probeweise die Klinke herunterdrückte, erwies sich die Tür als abgeschlossen.
»Deibel auch«, murrte er und klopfte nochmal. »Macht auf, wir sind’s! Bernd und Ungesund!«
Jörg stieß ihm den Ellenbogen in die Wippen. »Letzte Warnung«, drohte er scherzhaft an. »Das Verunglimpfen von Reisegefährten ist ungesund.«
»Sage ich doch«, gab Bernd trocken zurück. »Ungesund.«
Aber auch jetzt öffnete noch niemand.
»Die werden doch nicht ausgeflogen sein?« überlegte Bernd laut. »Ohne uns? Sowas…«
Sie suchten die Rezeption auf. In der Tat hing dort der Zimmerschlüssel. Ja, bedeutete ihnen ein geschniegelter Herr in schwarzem Jackett und schwarzer Seidenfliege, die beiden Damen hätten vor einer Viertelstunde das Haus verlassen. Ja, in die Richtung die Straße entlang.
»Tatsächlich - die sind ausgerückt. Ohne uns. Hinterher!« verlangte Jörg.
»Langsam«, wehrte Bernd ab. »Benutze mal deinen Viersemestrigen Verstand! Draußen regnet’s. Also?«
»Also sind sie in eine Kneipe eingekehrt, um sich unterzustellen«, schlußfolgerte Jörg.
»Richtig«, sagte Bernd. »Und was tun sie da?«
»Bier trinken und vielleicht auch Schlankheitssalat vertilgen.«
»Und wie lange dauert das?«
»Sehr.«
»Also können wir getrost abwarten, bis der Regen aufhört. Weit weg können sie nicht sein. Sobald das Getröpfel aufhört, schleichen wir hinterher und finden sie. Okay?«
Jörg zeigte sich einverstanden. Sie ließen sich im Vorraum in Sesseln nieder und starrten nach draußen in den Regen. Daß Zamorra und Nicole bereits irgendwo draußen unterwegs waren, ahnten sie nicht einmal.
Sie hingen ihren Gedanken nach.
Jörg träumte still vor sich hin. Er träumte von Monica Peters. Irgendwie hatte er das Gefühl, sich in sie verliebt zu haben. Ganz leicht nur, aber dieses Gefühl war stark genug, daß er sie förmlich vor sich stehen sah, als sei sie tatsächlich hier. Er glaubte ihr fröhliches Lachen zu hören, sah ihr blondes Haar
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