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0199 - Phantom der Lüfte

0199 - Phantom der Lüfte

Titel: 0199 - Phantom der Lüfte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang E. Hohlbein
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vorbei, kniete neben der reglosen Gestalt nieder und drehte sie behutsam auf den Rücken. Ihre Kleider raschelten wie trocknes Papier, und das Fleisch schien da, wo Bills Finger es berührten, zu krümeligem braunen Staub zu zerfallen.
    »Das gleiche wie… wie draußen«, murmelte Nicole. Ihre Stimme klang belegt. Zamorra sah, daß ihre Lippen zitterten, obwohl sie sich große Mühe gab, beherrscht auszusehen.
    Und auch er spürte diese seltsame, unausgesprochene Drohung, die plötzlich über dem Haus zu lasten schien. Zusammen mit der grauenhaften Mumie schien noch etwas anderes, Böses Einzug gehalten zu haben; die stumme Drohung einer fremden, bizarren Welt, die an die Pforten der Realität geklopft hatte und Einlaß begehrte.
    Er tauschte einen stummen, warnenden Blick mit Nicole, ging zu Bill hinüber und kniete ebenfalls neben dem Toten nieder. Der Mann unterschied sich kaum von der Leiche, die sie draußen in der Wüste gefunden hatten. Sein Gesicht war zu einer unkenntlichen Masse aus Falten und Rissen geworden. Die Haut war zusammengeschrumpft; es sah aus, als grinse der Totenschädel die beiden Menschen höhnisch an.
    Bill deutet wortlos auf die Brust des Mannes. Sein Hemd war zerrissen und von großen, rotbraunen Flecken verunstaltet. Das zersplitterte Ende eines Säbels ragte unter seinem Brustbein hervor, und in der Kehle des Mannes klaffte ein tiefer, fast zehn Zentimeter breiter Schnitt. Seine Hände waren noch im Tod um den Griff eines schmalen, silbernen Dolches verkrampft.
    Zamorra überwand seinen Widerwillen und öffnete die Hand des Toten. Der Dolch schimmerte, als wäre er gerade erst frisch poliert worden. Er fühlte sich seltsam schwer und massig an, und das Metall schien gleichzeitig glatt und porös zu sein.
    Zamorra fuhr prüfend mit dem Daumen über die Schneide. Sie war rasiermesserscharf.
    Er runzelte die Stirn und drehte die schmale, zierliche Waffe unschlüssig in den Händen. Auf der Klinge waren verschlungene Schriftzeichen eingraviert; aber sie entstammten einer Sprache, die Zamorra nicht bekannt war.
    Aus dem hinteren Teil des Hauses waren Schritte zu hören. Eine Tür wurde zugeschlagen, dann erschien ein schlankes, langhaariges Mädchen in der Diele. Ihr Gesicht wirkte aufgequollen und rot. Unter ihren Augen lagen tiefe Ringe. Sie sah aus, als hätte sie geweint.
    »Mutter, was…« Der Rest des Satzes ging in einem spitzen, erstickten Aufschrei unter, als sie den Toten entdeckte. Für fünf, sechs Sekunden stand sie wie erstarrt da und starrte die Mumie aus ungläubig aufgerissenen Augen an.
    Ihre Hände begannen zu zittern. Ihr Mund öffnete sich, aber der entsetzte Schrei, zu dem sie ansetzen wollte, ging in einem fassungslosen Keuchen unter. Sie wich einen Schritt zurück, klammerte sich hilfesuchend an ihrer Mutter fest und preßte die Hände gegen den Mund. Sie schien trotz des Entsetzens unfähig zu sein, den Blick von der grausigen Erscheinung zu nehmen.
    Zamorra warf Nicole einen blitzschnellen Blick zu. Die junge Frau verstand. Sie nickte unmerklich, trat hinter das Mädchen und legte ihr sanft die Hände auf die Schulter.
    Die Berührung schien den Bann zu brechen. Das Mädchen fuhr herum, stieß einen kleinen spitzen Schrei aus und warf sich an Nicoles Brust.
    »Bring sie raus«, murmelte Zamorra. »Der Anblick ist nichts für sie.«
    Nicole nickte, führte das Mädchen herum und ging mit ihr in den rückwärtigen Teil des Hauses.
    »Wie… wie kommt dieses… dieses Ding hierher…?« fragte Mrs. Gwendall, nachdem Nicole und ihre Tochter verschwunden waren. Ihr Blick hing immer noch wie gebannt an der verkrümmten Leiche, aber ihre Stimme war erstaunlich gefaßt.
    Zamorra bewunderte beinahe die Ruhe, die die Frau bewahrte. Die meisten Menschen wären wahrscheinlich schreiend davongelaufen, wenn sie plötzlich mit einem solchen Anblick konfrontiert worden wären. Aber Mrs. Gwendall schien sich vollkommen in der Gewalt zu haben.
    Bill räusperte sich verlegen. Er sah Zamorra an, stand auf und trat unwillkürlich einen Schritt von der Mumie zurück. In seinen Augen stand eine stumme Frage.
    Zamorra nickte wortlos.
    »Wir«, begann Bill lahm, »wir haben draußen in der Wüste ein ähnliches Erlebnis gehabt. Aber wir dachten, es wäre eine… eine Täuschung.«
    Mrs. Gwendall atmete hörbar ein. Ihr Blick war immer noch starr auf den verkrümmten Körper gerichtet.
    »Ich habe so etwas schon einmal gesehen«, flüsterte sie. Sie schien Bills Worte überhaupt nicht

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