02 Arthur und der Botschafter der Schatten
Ich möchte einmal selbst Kapitänin werden.«
»Interessant«, sagte Jensen und ein wohlwollendes Lächeln umspielte seine Lippen. »Ich habe leider nicht viel Zeit, denn wir beginnen gleich mit dem Beladen, damit wir heute Nacht pünktlich auslaufen können. Wir haben aber während der Fahrt noch genug Gelegenheit, miteinander zu plaudern. Bis dahin wird euch Robin alles Nähere erklären. Wichtig ist eigentlich erst mal nur unser Essensplan: Frühstück um halb acht, Mittagessen um halb zwölf und Abendbrot um halb sechs.«
»Das sind ja Zeiten wie im Krankenhaus«, rief ich aus. Vor zwei Jahren waren mir die Mandeln rausgenommen worden, und ich hatte schon damals nicht verstanden, warum in der Klinik so früh geweckt wurde. Wir Patienten hatten doch alle Zeit der Welt!
»Wir haben hier unseren eigenen Rhythmus an Bord«, lachte der Kapitän. »Und da gibt es keine Ausnahmen.« Er stürzte seinen Kaffee herunter und erhob sich. »Ich muss wieder an die Arbeit. Wir sehen uns nachher in der Messe.«
Kaum war er gegangen, stand Robin in der Tür. »Ich bringe euch jetzt zu euren Kabinen«, sagte er. »Sie befinden sich im zehnten Deck. Leider haben wir keinen Fahrstuhl. Nun wisst ihr auch, warum wir hier alle so schlank sind.«
Er nahm unsere Koffer und ging voraus. Zehn Stockwerke sind ganz schön hoch, ob an Land oder auf einem Containerschiff. Der Kapitän und seine Offiziere mussten sogar noch höher klettern als wir. Und das Steuerhaus befand sich im 14. Stock.
Unsere Kabinen waren schöner, als ich erwartet hatte. Sie waren hell, geräumig und mit Fernseher, Stereoanlage und Computer ausgerüstet. Neben dem Wohn- und Schlafraum gab es ein geräumiges Bad mit Dusche. Aus dem Fenster hatte man einen herrlichen Blick auf Cádiz.
Larissa kam zu mir herüber, und wir riefen den Bücherwurm an, solange wir noch in Landnähe waren. Er war überrascht über die Entwicklung der letzten vierundzwanzig Stunden und unsere Reise nach Dubrovnik.
»Ich glaube, ich kenne da jemanden«, sagte er. »Es ist schon lange her, dass wir uns gesehen haben, und ich weiß nicht, ob sie noch im Geschäft ist. Sie heißt Lidija Pjorotić und hatte bis vor einigen Jahren ein kleines Antiquariat in der Stadt. Ich werde das überprüfen und euch ihre Adresse und Telefonnummer mailen.«
»Hast du noch irgendwas von Pluribus gehört?«, fragte Larissa.
»Nichts. Ich habe meine Fühler ausgestreckt, aber niemand weiß etwas über seine Pläne. Allgemein gibt es eine große Unruhe, seitdem es heißt, dass die Schatten wieder aufgetaucht sind. Mit einem Mal kriecht alles aus den Löchern und will ein Stück vom Kuchen abhaben. Seht euch also vor.«
Wir versprachen ihm zum wiederholten Mal, vorsichtig zu sein, und verabschiedeten uns dann. Larissa steckte gerade das Handy ein, als ein lautes Donnergrollen ertönte. Wir sahen uns fragend an. Ein Blick aus dem Fenster verschaffte uns Aufklärung. Das Laden der Container hatte begonnen.
In den folgenden Stunden nahm das Poltern nicht ab. Container für Container wurde an Deck gehievt. Anfangs fand ich es interessant, dabei zuzusehen, aber auf Dauer war es recht ermüdend. Auf dem Nachttisch neben meinem Bett lag eine fotokopierte Broschüre über die Ann Catherine , die auch eine schematische Darstellung des Schiffs enthielt.
Larissa und ich studierten den Plan genau. Im Deckhaus befanden sich außer dem Steuerhaus und den Unterkünften für die Passagiere noch die Räume der Mannschaft (insgesamt nur siebzehn an der Zahl), die Offiziersmesse, die Kombüse (also die Bordküche), der Speisesaal für die Mannschaft, die Bar, eine Lounge, die Krankenstation, eine Videothek sowie verschiedene Stauräume.
Gleich unter dem Deckhaus lag der Maschinenraum. Daran führte auch der Weg in den Laderaum vorbei, in dem kleinere Frachtstücke untergebracht waren. Dort mussten wir also nach dem Diebesgut suchen.
Nachdem wir geduscht und uns umgezogen hatten, gingen wir zum Abendessen in die Offiziersmesse. Das war ein heller, freundlicher Raum mit mehreren runden Tischen. An den Wänden hingen bunte Kunstdrucke von gemalten Schiffen und durchs Fenster hatten wir einen guten Ausblick auf den Hafenkai.
Auch Kapitän Jensen hatte sich für den Anlass frisch eingekleidet. Er trug jetzt ein weißes Hemd mit Schulterstreifen sowie eine weiße Hose. Robin kam aus der Kombüse, die gleich nebenan hinter einer Metalltür lag, und warf eine Tischdecke über unseren Tisch. In Sekundenschnelle waren vier Plätze
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