Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

02 - Aus Liebe zu meiner Tochter

Titel: 02 - Aus Liebe zu meiner Tochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Betty Mahmoody
Vom Netzwerk:
Familien ihre Rückkehr feierten, war die Freude nicht ungetrübt. Alle wußten, daß die Ferien nur eine kurze Linderung des Trennungsschmerzes sein würden.
    Zwei Wochen später mußten die Mütter ihre härteste Prüfung bestehen - viel schlimmer als die Gefahr, bei einer Demonstration verhaftet zu werden, oder als fünf Monate lang auf einem nackten Fußboden zu schlafen. Um zu beweisen, daß sie das früher mit den Vätern gemeinsam ausgeübte elterliche Sorgerecht nicht mißbrauchen, daß sie zu ihrem von der algerischen Regierung mit soviel Mißtrauen beäugten Ehrenwort stehen und daß sie miteinander solidarisch sein wollten, gaben sie ihre Kinder zur festgesetzten Frist zurück.
    Welche Qualen dies für die Mütter bedeutete, kann gar nicht ermessen werden. (Ein Kind sagte, es wolle lieber getötet werden, als wieder zu seinem Vater zurückzukehren.) Hätten die Mütter ihr Wort gebrochen und die Kinder behalten, wären die Algerier nicht in der Lage gewesen, sie zur Rückgabe zu zwingen. Die Frauen waren so stark, daß sie ihre Töchter und Söhne zurückgaben, obwohl alles in ihnen sich dagegen gesträubt haben muß.
    Amar Houache war ein besonderer Fall. Mit 18 Jahren war er nach französischem Recht volljährig, in Algerien dagegen noch minderjährig, denn dort beginnt die Volljährigkeit erst mit 19. Amar mußte in Ghardäia seine eigene »Ehrenerklärung« unterzeichnen, mit der er sich verpflichtete, nach Algerien zurückzukehren. Zwar hätte er sich trotzdem anders entscheiden können, aber es kam ihm nie in den Sinn, sein Wort zu brechen. »Er bewies großen Mut und moralische Reife«, sagte Linda. »Ihm war bewußt, daß er 292

    die Verhandlungen gefährden würde, wenn er in Frankreich blieb. Deshalb kehrte er zurück. Er hat sich selbst für die anderen geopfert.«
    Ungefähr zur selben Zeit, im Januar 1986, begab sich die prominenteste Patin auf eine Mission, durch die sie ihre Zukunft und sogar ihre Freiheit aufs Spiel setzte. Anne-Marie Lizin war als Nicht-Französin zu einer vertrauenswürdigen Vermittlerin zwischen den Müttern und der algerischen Regierung geworden. In ihrer Heimat Belgien hatte die Regierung die Probleme der Mütter ignoriert. Für Anne-Marie, die ihr Land im Europa-Parlament vertrat, war dies ein unhaltbarer Zustand.
    Anne-Maries Assistentin Ginny war auf den Fall einer belgischen Staatsbürgerin aufmerksam geworden, der meinem und dem von Marie-Anne Pinel glich. Im Jahr zuvor hatte ihr Ehemann ihre drei Kinder im Teenageralter, zwei Jungen und ein Mädchen, unter dem Vorwand nach Algerien gelockt, sie sollten am Wochenende an einer Hochzeit teilnehmen. Nach der Ankunft ließ der Vater die Kinder bei Verwandten in einem Ort bei Algier zurück und brach jeden Kontakt mit der Mutter ab. Als der Vater nach Belgien zurückkehrte, um die Schulunterlagen der Kinder zu holen, wurde er verhaftet und ins Gefängnis gesteckt. Das war der Stand der Dinge: Der Vater saß im Gefängnis, die Kinder waren bei der Großmutter und völlig mittellos.
    Als die Kinder sich um Hilfe an die belgische Botschaft wandten, hörten sie, den Diplomaten seien die Hände gebunden. Anne-Marie bekam eine ähnliche Antwort von Regierungsvertretern in Brüssel. »Ich kann in diesem Fall wirklich nichts tun«, erklärte ihr der Außenminister, »weil wir kein Abkommen mit Algerien haben.« Da eine vertragliche Grundlage fehlte, zeigte die belgische Regierung keine Neigung, Algerien unter Druck zu setzen, zumal ein Vertrag
    293
    über Erdgaslieferungen zwischen den beiden Ländern geschlossen werden sollte.
    Vertraulich gab die Regierung Anne-Marie jedoch etwas anderes zu verstehen. »Wir müssen etwas unternehmen«, sagte ein hoher Beamter, »aber das geht nicht auf amtlichem Weg.«
    Anne-Marie hatte genug vom schleppenden Gang der Bürokratie. »Wer auf offizielle Schritte hofft, kann Jahre warten«, klagte sie. Doch die Kinder konnten nicht so lange warten; eines von ihnen hatte bereits ein Jahr an der Universität verloren. Anne-Marie wollte den Staat herausfordern und vor vollendete Tatsachen stellen. In Begleitung eines Journalisten wollte sie inkognito in die algerische Stadt An-naba, nahe der tunesischen Grenze, reisen. Ein tunesischer Taxifahrer sollte die Kinder von ihrem derzeitigen Wohnort abholen und zu einem vereinbarten Treffpunkt bringen. Anne-Marie und der Journalist wollten sich als die Eltern der Kinder ausgeben und versuchen, sie über die Grenze zu schmuggeln, wo Anne-Maries Mann sie

Weitere Kostenlose Bücher