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02 - Aus Liebe zu meiner Tochter

Titel: 02 - Aus Liebe zu meiner Tochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Betty Mahmoody
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liebevoll und hilfreich zeigten, waren die nächsten Angehörigen völlig mit ihrer eigenen Trauer beschäftigt und füreinander unzugänglich.
    Das Verhalten der Familie gegenüber der Witwe war seltsam und wenig tröstlich. Wenige Stunden nachdem sie von dem Mord erfahren hatten, verlangten die Schwestern von Christy den goldenen Armreif und die Halsketten zurück, die Riaz ihr geschenkt hatte - mit der Begründung, es handele sich um Erbstücke ihrer Großmutter.
    Immer wenn Christy zu weinen begann, tadelten sie sie: »Nein, du mußt stark sein, du mußt uns helfen, zusammenzuhalten.«
    Fiaz versuchte es anders. »Ach, meine liebe, teure Schwester, hab keine Angst«, sagte er salbungsvoll. »Ich werde mich um alles kümmern. Du gehörst jetzt mir, und das sind meine Söhne.« Christy dachte zuerst, er spreche im übertragenen Sinn, bis sie sich an den alten Brauch erinnerte, nach dem Brüder verwitwete Schwägerinnen heiraten und für sie sorgen mußten. Als Fiaz Annäherungsversuche unternahm, sie sanft berührte oder ihre Wange streichelte, wies sie ihn zurecht: »Nimm bitte zur Kenntnis, daß ich nach der Beerdigung wieder zu Eric zurückkehre.« Nach dieser Abfuhr wurde Fiaz gemein. Christy hatte ihn sich auf ewig zum Feind gemacht.
    Etwa um dieselbe Zeit kam der damals dreieinhalbjährige John schreiend zu Christy gelaufen: »Mommy, jemand will mich erschießen, jemand will mich erschießen!« Er hatte eine hitzige Debatte der Familie über Riaz' Tod mißverstanden. Christy beruhigte ihn. Sie holte tief Luft und erklärte ihm dann, was passiert war. »Daddy kommt nicht mehr wie-135
    der«, sagte sie. »Gott hat entschieden, daß es jetzt Zeit für ihn ist, im Himmel zu wohnen, und dort ist er glücklich und frei.«
    John sah sie verwirrt an und erwiderte: »Okay.« Er wollte schon wieder weglaufen, kam dann aber noch einmal zurück und meinte: »Aber Mommy, Daddy ist nicht fröhlich. Er ist ein böser Mensch!« John schien die Nachricht problemlos zu verkraften, und Adam zeigte fast überhaupt keine Reaktion. Keiner der Jungen ließ irgendeine Gefühlsregung erkennen, auch dann nicht, als ihre Onkel sie packten und riefen: »Riaz Khan, Riaz Khan!« Es war die gespenstische Anrufung eines Mannes, der bestenfalls ein widerstrebender Vater gewesen war.
    Am 16. August traf Riaz' Leichnam in dem mit Seide ausgekleideten Sarg, den Christys Vater gekauft hatte, im Dorf ein. Die erste unheilverkündende Reaktion kam von Christys Schwiegervater. Über seinen Sohn hatte er nichts zu sagen, aber er schien wie besessen von John und Adam. »Ich werde diese Kinder nie mehr sehen«, wiederholte er traurig ein ums andere Mal. Christy wünschte, er würde damit aufhören. Jetzt, da Riaz tot war, hatte die Familie wohl weder ein Interesse daran noch die Macht, sie länger festzuhalten. Der Status ihrer beiden Söhne, die nach pakistanischem Recht doppelte Staatsangehörigkeit besaßen, war dagegen problematischer.
    Wenn die Familie beschloß, vor einem pakistanischen Gericht um die Vormundschaft zu streiten, stand Christy ein harter Kampf bevor.
    Bisher hatte man Christy als Mittrauernde betrachtet. Die Haltung der Familienangehörigen änderte sich jedoch schlagartig, als sie den beigefügten Totenschein lasen, dem zufolge Riaz doch erschossen worden war. (Die Polizei hatte nähere Einzelheiten verschwiegen, um die Ermittlungen nicht zu gefährden. Wie sich herausstellte, war Riaz tatsächlich von einer Kugel in den Hinterkopf getroffen wor-136
    den.) Diese Enthüllung brachte Christy in eine unangenehme Lage. »Du hast uns angelogen!« schrien die Brüder.
    Der Damm brach, als die Familie die islamische Totenzeremonie abhielt, bei welcher der Leichnam zur Vorbereitung des Begräbnisses entkleidet, gebadet und schließlich in ein weißes Baumwolltuch gehüllt wird.
    Christy hatte zuvor ein qualvolles Telefongespräch mit dem Leichenbestatter der Leichenhalle von Michigan geführt - »Wenn die Leichenbeschauer eine Autopsie machen«, hatte er erklärt, »setzen sie die Leichen hinterher nicht wieder ordentlich zusammen« -und dann darauf gedrängt, daß die Zeremonie aufgeschoben werde. Die Familie ignorierte ihre Bitte. Als Riaz' Angehörige den Zustand des Leichnams sahen, gerieten sie außer sich. In Fiaz' Haus, wo sie sich versammelt hatten, lief ein Onkel ins Wohnzimmer, packte Christy und schrie: »Du verfluchte, mordgierige Amerikanerin!« (Die Vereinigten Staaten, die einst als enge Verbündete gegolten hatten, waren

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