02 - Beiss mich, wenn du kannst
Gefühle nicht einen einzigen Augenblick länger zurückhalten. Klar, ich weiß ja, dass die meisten Vampire keine anderen Gefühle als Hunger, Gier, Lust und ein überhöhtes Selbstwertgefühl verspüren, und hatte ich auch schon Hunger erwähnt? Aber daran dachte ich in diesem Augenblick gar nicht. Ich hatte mich in einem Moment reinsten Glücks verloren - und hatte keinesfalls vor, mir diese Stimmung durch die Realität kaputt machen zu lassen.
Meine Ohren zuckten, und mein Herz setzte einen Schlag lang aus, als Ty den Mund öffnete.
„Ich will dich."
„Ich brauche dich."
„Ich kann nicht ohne dich leben."
Ich lächelte, während mir diese verschiedenen Möglichkeiten durch den Kopf gingen.
„Ich vergesse immer wieder, dass du ein Vampir bist." Seine Stimme klang tief und ungläubig und ganz und gar nicht leidenschaftlich.
Mein Lächeln wurde noch breiter. Okay, das war vielleicht nicht genau das, was ich im Sinn gehabt hatte, aber dennoch durchströmte mich eine tiefe Glückseligkeit.
10
„Doch genau das bist du", sagte er. „Ich meine, du hast immerhin Fangzähne."
Er starrte mich an. „Denke ich. Also keine Gehirnerschütterung, stimmt's?"
Ich nickte. Nur ein böser, lebensbedrohlicher Schnitt, den ich sicherlich nicht erwähnen würde. Denn wenn ich es ihm erzählte, würde er ihn vermutlich sehen wollen, und dem würde ich mich mit Gewissheit nicht aussetzen. Es war eine Sache, Sorge in seinen Augen schimmern zu sehen, und eine ganz andere, ihn meine Brust untersuchen zu lassen.
Romeo und Julia, rief ich mir ins Gedächtnis. Auch bekannt als die dem Untergang Geweihten.
„Also, was ist jetzt mit diesem Kerl?", fragte ich noch einmal.
„Er ist ein hohes Tier bei der Mordkommission. Ich hab ihm dabei geholfen, ein paar ungelöste Fälle abzuschließen, und er schuldet mir noch was. Er wird mich über alle Einzelheiten dieses Falles unterrichten, damit wir genau wissen, womit wir es eigentlich zu tun haben." Endlich sah er weg von mir, glücklicherweise, und griff nach einem Laptop, der auf dem kleinen Tisch stand, mitten in einem Haufen Zeitschriften - da gab es alles: von Katalogen, auf denen martialisch aussehende Männer abgebildet waren, bis hin zu Guns & Ammo. „Weiß er, dass ich hier bin?"
„Er schuldet mir was, aber so viel nun auch wieder nicht. Er glaubt, dass ich mich einfach nur für diesen Fall interessiere und selbst ein bisschen rumschnüffeln will. Die Times bietet im Fall der Verhaftung und Verurteilung des Mörders eine Belohnung an, also hält er es für nicht unwahrscheinlich, dass mich das Ganze interessiert."
„Wie viel?"
„Fünfzigtausend Dollar."
Fünfzigtausend Dollar? Mehr war ich nicht wert? „Ich hätte doch gedacht, dass sie sich wenigstens hunderttausend aus den Rippen leiern würden."
Er blickte auf. Sein sinnlicher Mund war zu einem Grinsen verzogen. „Das klingt vielleicht nicht gerade nach viel, aber diese Summe sorgt garantiert dafür, dass jeder, der in meiner Branche arbeitet, aus seiner schäbigen Ecke gekrochen kommt, und das ist ja schließlich der Sinn und Zweck des Ganzen.
Je mehr Leute nach dir suchen, desto unwahrscheinlicher ist es, dass du dich den Behörden noch lange entziehen kannst."
„Ich dachte, bei unserem Rechtssystem geht es nur darum, dass man unschuldig ist, solange die Schuld nicht bewiesen wurde?"
„Im Augenblick bist du nur eine Verdächtige. Die Hauptverdächtige. Was ich bisher so gehört habe, sind die Beweise ziemlich belastend, aber da ich noch nicht alle Einzelheiten kenne, kann ich auch nicht sagen, wie schlimm es wirklich aussieht. Offensichtlich aber so schlimm, dass der Richter einen Haftbefehl erlassen hat. Bis sie feststellen, dass sie einen Fehler gemacht haben - und ich bin sicher, das werden sie -, bis dahin läuft die Fahndung, und du bist das Ziel."
Ich setzte mich kerzengerade hin und versuchte, mich zusammenzunehmen.
„Okay, und was tun wir jetzt?"
„Wir tun gar nichts. Du verschwindest in der Versenkung, während ich Informationen einhole." Als ich den Mund öffnete, bohrte sich sein stahlharter Blick in mich hinein. „Das ist mein Ernst, Lil. In der Sekunde, da du das Haus verlässt, sitzen dir die Cops im Nacken. Du musst unbedingt hierbleiben."
„Aber ich habe doch so viel zu erledigen ..."
„Drinnen", unterbrach er mich.
„Ich habe ein Geschäft, das ..."
„Hast du mich verstanden?"
„Ich kann doch nicht. ."
„Sonst kannst du dir einen anderen Platz zum Wohnen
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