02 - Beiss mich, wenn du kannst
einer guten Familie. Einer alten Familie. Uns gibt es schon seit einer Ewigkeit, also ist es doch auch irgendwie, als ob wir unsterblich wären. Wir haben bei verschiedenen Schlüsselereignissen der Geschichte eine entscheidende Rolle gespielt und wurden sogar in diversen Geschichtsbüchern erwähnt."
„Ist das die Möglichkeit!"
Sie nickte. „Mein Ururururgroßvater kam mit der Mayflower herüber, und mein Urururgroßonkel Radcliffe ist mit Paul Revere geritten, und meine Ururgroßtante Millicent wurde während der Hexenprozesse in Salem auf dem Scheiterhaufen verbrannt und -"
„Hey, warte mal einen Augenblick. Was hast du gerade gesagt?"
„Dass man den Stammbaum meiner Familie bis zur Mayflower zurückverfolgen kann." Sie glühte förmlich vor Stolz. „Den Teil meine ich nicht. Den anderen Teil." „Onkel Radcliffe?" „Noch ein bisschen vorwärtsspulen." „Tante Millicent?" „Bingo."
„Diese Überraschung wollte ich mir eigentlich für morgen aufsparen." Sie lächelte noch glücklicher, und in meinem Magen breitete sich Übelkeit aus.
„Wie sich herausstellt, bin ich doch nicht ganz so menschlich. Es heißt, dass meine Tante Millicent eine der mächtigsten Hexen ihrer Zeit war, und da ich in direkter Linie von ihr abstamme, bedeutet das, dass durch meine Adern Andersartige DNA fließt. Nicht, dass ich wüsste, wie man zaubert oder so was. Ich habe höchstens mal die eine oder andere Wiederholung von Charmed gesehen. Aber trotzdem, das ist doch schon was, oder?" Sie strahlte. „Ich kann's gar nicht erwarten, deiner Familie davon zu erzählen. Die werden ausflippen!"
„Die werden mit Gewissheit ausflippen." Ich sah meine Mutter schon vor mir, wie sie mit gebleckten Fängen auf Mandys seidige weiße Kehle losging. Panik durchfuhr mich.
Nicht deine Angelegenheit, flüsterte eine Stimme.
Dieselbe Stimme, die sagte besser du als ich, wenn es um den Zorn meiner Mutter ging.
Trotzdem. Es ging hier um Vampirfänge, und das nur wegen eines dummen DNA-Fehlers.
„Weißt du was, Mandy? Du solltest diese kleine Information vielleicht lieber für dich behalten. Du bist ein tolles Mädchen. Klug, attraktiv."
„Wirklich attraktiv", gab der Taxifahrer seinen Senf dazu. Sein Lächeln blitzte im Rückspiegel auf. „Entschuldigung, aber Sie sind einfach zu hübsch. Und Sie auch." Sein Blick wanderte zu mir.
„Äh, danke." Oh Mann. „Jedenfalls, wo war ich gerade? Ach ja. Attraktiv. Und kontaktfreudig. Und lebenslustig."
„Und Preisträgerin", fügte sie hinzu. „Ich bin jetzt schon den sechsten Monat hintereinander die Nachbarin des Monats. Ich bin nie zu Hause, darum kann ich auch niemanden stören."
„Eine mehrfache Preisträgerin", wiederholte ich. „Und klug noch dazu."
„Das sagtest du schon."
„Ach ja?" Ich schüttelte den Kopf. „Was ich damit sagen will, ist: Du bist doch eine tolle Frau. Du weißt das. Jeder weiß das. Also, warum auch noch angeben?"
Ihre Aufregung verwandelte sich plötzlich in Sorge. „Findest du wirklich, dass es sich nach Angeberei anhören würde?"
Ich nickte. „Und dabei hast du das doch gar nicht nötig. Ich meine, meine Familie liebt dich sowieso schon, stimmt's?" Ich sagte ja nicht, dass sie sie liebten, oder deutete so was an. Ich stellte einfach nur eine Frage.
Trotzdem ließ ich meine Hand an meine Seite sinken und kreuzte die Finger.
„Meinst du wirklich, dass sie mich lieben? Ich weiß ja, dass sie mich mögen, aber lieben?" Sie blickte mich hoffnungsfroh an und wieder wurde mir flau.
Mein Mund öffnete sich von ganz allein. „Aber sicher tun sie das." Ich lächelte sie beruhigend an. „Und wegen morgen mach dir bloß keine Sorgen. Sie werden sicher ganz begeistert sein."
Wenn ich jemals gepfählt werden sollte, würde ich hierfür so was von in die Hölle kommen.
Oder ins Gefängnis.
Die Dunkelheit vor uns wurde mit einem Mal von einem Blitzgewitter roter und blauer Lichter durchbrochen. Im Scheinwerferlicht tauchte ein uniformierter Polizist auf und machte uns Zeichen, dass wir anhalten sollten.
Oh-oh.
Ist schon okay, versicherte ich mir. Mein Herz schlug wie wild, mein Blick klebte an den schwindelerregenden blau-roten Lichtwirbeln auf dem Polizeiwagen, der am Straßenrand stand. Okay, okay, okay.
Es ist nur die Polizei.
An der Ecke zur Straße, in der meine Eltern wohnen. Mitten in der Nacht. Und ich bin eine flüchtige Mörderin. Das war so was von nicht okay.
Mein Herz hüpfte mir in die Kehle, und meine Nerven vibrierten.
Kein
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