02 - Heiße Nächte der Leidenschaft
Dienstbotentrakt.
Dort kam er gerade
rechtzeitig an, um die wachsende Belustigung der Dienerschaft im Keim zu
ersticken. Eloise war, was solche Dinge anging, sehr förmlich und so wollten
sich die Bediensteten beinah totlachen angesichts der Neuigkeit, dass ihre
Tochter nach Gretna Green durchgebrannt war.
Carroll hielt ihnen
eine strenge Predigt und befahl ihnen, nichts über die Schande auszuplaudern,
die die hochherrschaftliche Familie ereilt hatte (obwohl das eigentlich
verlorene Liebesmüh war!). Dann schickte sie alle zu Bett, aber erst, nachdem
er unauffällig nachgezählt und sich davon überzeugt hatte, dass alle siebzehn
Lakaien in ihren eigenen Betten liegen würden. Lakaien, das wusste er sehr gut,
waren für die jungen Damen eine ständige Versuchung und er würde niemals über
die Schande hinwegkommen, wenn Lady Sophie ein Auge auf einen seiner Burschen
geworfen hätte.
In der Zwischenzeit
hatte sich der Marquis von Brandenburg nicht von der Stelle gerührt und starrte
auf die Fliesen aus italienischem Marmor hinunter, die die Eingangshalle
zierten.
Seine Frau gesellte
sich schweigend mit einer brennenden Kerze zu ihm. Sie war nicht die Sorte
Frau, die duftige Negligees über ihrem Nachthemd trug; sie war in ein
strapazierfähiges Gewand aus blauer, grober Baumwolle gehüllt, das sie von Kopf
bis Fuß bedeckte.
»Nun?«, fragte
Eloise ein wenig streitlustig. Und dann fügte sie eindringlicher hinzu: »George,
George, was ist denn?«
Ihr Mann hob den
Kopf und blickte sie an. »Sie ist weg. Carroll sagt, dass Sophie durchgebrannt
ist. Unsere kleine Sophie.«
Vielleicht zum
ersten, aber auch letzten Mal in ihrem Leben blieb Eloise auf unelegante Weise
der Mund offen stehen.
»Nein!«
»Die Leiter lehnt
an ihrem Fenster und ihr Fenster steht offen«, sagte George unglücklich. »Ich
denke, es gibt keine Möglichkeit, dies zu vertuschen, nicht wahr?«
Eloise klappte
entschlossen den Mund zu. »Das ist unmöglich«, flüsterte sie. »Sid würde mir,
uns, so etwas niemals antun. Die Schande ... eine Tochter, die durchgebrannt
ist ...«
»Du denkst doch
nicht, dass wir zu nachgiebig mit ihr waren, oder?« Georges Gesicht wirkte
eingefallen. »Ein paar Mal hatte ich vor, etwas über ihre Kleider zu sagen,
aber ich dachte, ich würde auf meine alten Tage einfach nur altmodisch.«
»Unsinn«, sagte
Eloise unsicher.
Sie drehte sich um
und blickte starr in der Eingangshalle umher. Dann wirbelte sie herum und
betrachtete ihren regungslosen Mann. »Komm schon, George. Wir müssen nachsehen,
ob sie eine Nachricht hinterlassen hat. Vielleicht ist sie noch nicht weit.
Wenn ja, dann müssen wir sie heute Nacht noch einholen.«
Gehorsam folgte George
ihr die Treppe hinauf. Mann und Frau marschierten Schulter an Schulter den Flur
entlang, aber keinem fiel auf, dass sie zum ersten Mal seit genau zwanzig Jahren
so nah beieinander gingen.
Eloise blieb stehen
und stieß dann die Tür zum Schlafzimmer ihrer Tochter auf. Das Fenster stand
tatsächlich offen und die zarten Musselinvorhänge bauschten sich sacht in der
nächtlichen Brise. Das Zimmer war dunkel, aber Eloise konnte zwei schwarze
Punkte erkennen, die über dem Fensterbrett anfragten - offensichtlich die
Holme der Leiter.
»Kannst du eine
Nachricht entdecken?«, fragte George, der hinter ihr stand und an ihr vorbei in
den Raum hineinlugte.
Eloise hob die
Kerze, die sie in der Hand trug, und ging zu der Kommode hinüber. Nichts, und
auch auf dem marmornen Kaminsims stand kein Brief. Sie wollte sich gerade
umdrehen und den Rest des Raumes absuchen, als George dicht hinter auftauchte.
Eloise unterdrückte einen Aufschrei. George schnaufte schwer und die Kerze
verlöschte. Nun standen die beiden im Stockdunkeln da. Das einzige Licht
stammte von den flackernden Wandhaltern auf dem Gang, die Eloise zuvor
entzündet hatte.
»Eloise, wir müssen
ihr so schnell wie möglich nach!«, sagte George mit einem seltsam drängenden
Unterton in der Stimme. Er packte sie an den Schultern und schob sie auf die
Tür zu. Eloise kam sich vor wie ein Bündel Wäsche, besonders, als George sie in
seiner Eile, sie aus dem Zimmer zu schieben, gegen den Türrahmen stieß.
Im Flur riss sie
sich von ihm los. »Was zum Teufel ist in Sie gefahren, Mylord?«
George seufzte. Das
war es wohl mit dem vertraulichen Umgangston. Offensichtlich herrschte nun
wieder Kriegszustand.
»Wir müssen uns
ankleiden und sofort in die Kutsche steigen, Eloise. Wenn wir jetzt aufbrechen,
haben wir
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