02 - Hinter goldenen Gittern - Ich wurde im Harem geboren
hätte ich diese stillschweigende Anklage nicht erhoben. Aber Sue hätte wirklich Vaters Hilfe gebraucht.
Bruder Jo
Sues überraschender Tod, drei Wochen nach unserer Rückkehr auf die Farm, hatte mich verändert. Ich sprach kaum noch und hatte auch keine Lust, Okerekes Unterricht zu besuchen. Corn und ich, wir suchten uns stille Winkel, wo uns niemand finden konnte. Mutter hatte in dieser Zeit sehr viel zu tun und meine beiden Lieblingsmamas sowie meine Schwestern halfen ihr; für Mama Ada schien die harte Arbeit ein Mittel, um Sues Tod zu verkraften. Sie wurde noch wortkarger als zuvor. Damit ich nicht als faul beschimpft wurde, hatte ich begonnen, Körbe zu flechten. Meine Finger wurden von dem harten Raphiabast zwar wund und blutig, aber wenigstens konnte ich etwas vorweisen, das ich getan hatte.
Bei der Arbeit, die auf der Farm anstand, konnte ich nicht helfen. Mutter hatte in Deutschland Wasserpumpen bestellt, die bald geliefert werden sollten. Zuvor mussten unzählige Bewässerungsleitungen verlegt werden. Alle packten mit an, selbst Okereke. Denn Mutter wollte schon den nächsten Regen nutzen, um die Felder so zu bewässern, dass alles auch nach dem Ende der Regenzeit weiterwuchs. Sie dachte sehr europäisch; in meinem Land ist man sonst eigentlich nur froh über das, was der Regen bringt. Mutter aber ging die Sache langfristig an. Durch das Geld aus Deutschland hatte sie dazu die Möglichkeit.
Eines Abends erfuhr ich beim Nachtessen, dass Mutter Papa David gebeten hatte, jemanden zu schicken, um beim Verlegen der Wasserleitungen zu helfen.
Dabei war sie natürlich von einer jungen kräftigen Frau ausgegangen, vielleicht auch einem
jungen Ehepaar, das in dem abseits stehenden Flachbau wohnen könnte. Auf dem Land verliert man leicht das Gefühl für die Zeit und so kann ich nicht genau sagen, wann ich das Knattern eines Motors näher kommen hörte. Es war ein altes Motorrad, das sich den mit Schlaglöchern übersäten Weg zu uns bahnte. Darauf saß ein junger Mann, den Corn lauthals zu verbellen suchte.
Die anderen waren draußen bei der Arbeit und ich saß allein bei meinen Körben.
Zaghaft ging ich dem Mann entgegen, nicht ohne mich zuvor mit einem weißen Schleier zu verhüllen. Aus gebührender Entfernung fragte ich, was er wolle.
„Ich soll nach Mama Lisa fragen“, antwortete er scheu und blickte auf den Boden. Ich sagte, sie sei nicht da. Daraufhin erkundigte er sich nach Mama Bisi.
Als ich das Gleiche antwortete wie zuvor, sah er mich ratlos an. Er war ein schmächtiger Bursche mit abstehenden Ohren und großen Augen. Das Fahren über den schlechten Weg hatte ihn ins Schwitzen gebracht. Corn hatte sich dem Mann, der eher noch ein Junge zu sein schien, bereits zu Füßen gelegt. Ich vertraute Corns Menschenkenntnis und bot dem Fremden Wasser an, das er begierig trank.
„Papa David schickt mich zu euch“, erklärte er, „ich soll helfen. „ Er hieß Jo und war einer der älteren Söhne von Mama Bisi. Sie wohnten alle schon nicht mehr im Harem, als ich geboren wurde. Daher kannte ich auch ihn nicht.
„Du sollst hier bleiben, um zu helfen?“, fragte ich neugierig. Der Mann nickte.
Dass er mitarbeiten sollte, war in zweierlei Hinsicht ungewöhnlich: Zum einen war Feldarbeit Frauensache, zum anderen war der alte Okereke bislang der einzige Mann auf der Farm. Jo berichtete, dass er fünf Tage gebraucht hatte, um von Ibadan aus zu uns zu kommen. Auf der letzten Rückreise waren wir über Ibadan gefahren und ich wusste, dass es ein weiter Weg war. Noch dazu mit einem laut knatternden alten Motorrad. Ich holte ihm etwas zu essen, Gari und Okrasuppe vom Frühstück; er machte sich mit riesigem Appetit darüber her.
„Kennst du dich denn mit Feldarbeit aus?“, fragte ich. Jo erzählte, dass er die letzten sechs Jahre auf einer Farm in der Nähe von Ibadan gearbeitet hatte.
„Sie wird von Papa Felix geleitet“, berichtete Jo. Dieser Name sagte mir nichts und Jo erzählte, dass Papa Felix einer der Stellvertreter von Papa David in der Family OfThe Black Jesus sei. Seine Gemeinde in Ibadan sei eine der größten des ganzen Landes. „Aber ich bin froh, dass ich von dort wegdurfte“, berichtete Jo. Papa Felix sei ein Mann, der schnell wütend werde und dann auch mal eine seiner Frauen und die Kinder schlage.
Ich hatte nie gesehen, dass mein Vater so etwas getan hatte. Also schaute ich den Fremden ungläubig an: „Papa Felix ist doch bestimmt ein gerechter Mann?
Sonst würde Papa David
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