02 - Hinter goldenen Gittern - Ich wurde im Harem geboren
Rücken, das voll gepackt war mit Schnitzereien und einigen Tongefäßen voller Gemüse, einer deutschen Spezialität meiner Mutter, die sich großer Beliebtheit erfreute.
Ich hatte mir das Motorradfahren allerdings etwas einfacher vorgestellt. Und Jo wohl auch, denn wir kamen nicht weit. Zu zweit mit den vielen Sachen war das Motorrad überfordert und schon bald platzte ein Reifen. Glücklicherweise konnten wir auf der schlechten Strecke nicht schnell fahren, so dass der Sturz glimpflich abging. Wir freuten uns beide so sehr auf den Markt, dass wir überhaupt nicht daran dachten, umzukehren. Stattdessen schoben wir das Motorrad bis nach Jeba. Wir hatten für die Fahrt höchstens eine halbe Stunde einkalkuliert. Nun kamen wir drei Stunden später an und fanden nur einen schlechten Platz, an dem wir unsere Raphiamatten auf dem Boden ausbreiten konnten.
Mutters nach deutschen Rezepten eingemachtes Gemüse konnten wir mühelos absetzen. Meine Tierfiguren, die in ähnlicher oder sogar besserer Ausführung von anderen Frauen ebenfalls angeboten wurden, verkauften sich hingegen schlecht. Aber die Madonnen, von denen wir an diesem ersten Tag nur vier mitgenommen hatten, wurden uns förmlich aus den Händen gerissen. Vom Erlös konnten wir den Reifen des Motorrads reparieren lassen. Und trotzdem blieb noch etwas mehr übrig, als wir erwartet hatten.
Von diesem Tag an fieberte ich dem Samstag regelrecht entgegen. Der Erfolg mit den Madonnen hatte Mutter überzeugt: Ab sofort verlegten wir uns auf Heiligenbilder der Mutter Jesu. Jo brachte seinen Schwestern Efe und Jem und mir bei, wie man Gesichter und Figuren schnitzt. Pro Woche schafften wir mindestens drei, in unseren besten Zeiten sogar sechs Madonnen!
Im Gegensatz zu uns Mädchen hatte Jo eine ganze Menge von der Welt gesehen.
Während wir unsere Schnitzereien machten, fragten wir ihn daher über alles Mögliche aus. Anfangs war er schüchtern, berichtete aber schon bald mehr. Vor allem von
Papa Felix und der Farm in der Nähe von Ibadan. Das Leben dort schien keinesfalls so unbekümmert zu verlaufen wie in Papa Davids Harem. Papa Felix hatte zwar wesentlich weniger Frauen als mein eigener Vater, trotzdem beobachteten sich die queens voller Eifersucht. Und Geld, so erzählte Jo, sei das Hauptthema. Es gab immer viel zu wenig, weshalb ständig und an allem gespart wurde.
Mein Bruder berichtete von einer Welt, die mir vollkommen fremd war. In Lagos schien es uns an nichts zu fehlen; in Jeba musste Mutter zwar ziemlich haushalten, aber dafür hatten wir auch wesentlich geringere Ansprüche. Keine von uns, selbst die eitle Jem nicht, kam auf die Idee, mehr als drei Kleider zu besitzen - im ganzen Jahr. Eines für die Sonntagsmesse und zwei für den Alltag, von denen eines jeden Tag ausgewaschen wurde; unser traditionelles Weiß ist eine unpraktische Farbe für die Arbeit auf den Feldern. Diese Zeit, in der wir so völlig ohne Eitelkeit lebten, genoss ich sehr.
Das Leben in Ibadan, von dem Jo berichtete, war anders. Papa Felix selbst schien den ständigen Geldmangel zu verursachen. Anstatt sich um seine Angetrauten zu kümmern, schenkte er seine Gunst immer neuen Frauen, die er mit Geschenken verwöhnte. Wir mussten uns aus Jos Erzählungen mehr oder weniger selbst ein Bild dieses Mannes zusammenbasteln, denn mein Bruder machte meistens nur vage Andeutungen. Zum Beispiel über Papa Felix' Kinder, die nicht alle nur von seinen Ehefrauen stammten.
So hatte ich vom Stellvertreter meines Vaters eine ziemlich schlechte Meinung.
Aber was ging mich dieser Mann überhaupt an? Ibadan war weit weg, dachte ich. Ich lauschte diesen Geschichten vor allem deshalb, um mich noch stärker an meinem Leben auf der Farm zu erfreuen. Wie klein, überschaubar und friedlich hier doch alles war. Oft verweilte ich in unserer schönen Kirche, kniete vor dem Schwarzen Jesus nieder und dankte Gott, dass er es mit uns allen so gut meinte.
Eine Sünde
Jos Motorrad war schon sehr alt und verlangte viel Pflege. Aber auch das konnte nicht verhindern, dass eines Tages auf dem Weg zum Markt - glücklicherweise nicht weit von Jeba -der Motor endgültig kaputt ging. Während ich unsere Waren feilbot, brachte mein Bruder das Motorrad zu einer Werkstatt. Es war das erste Mal, dass ich allein am Stand verkaufte, was mir jedoch nicht viel ausmachte. Jo hatte auf dem Markt Freunde gefunden und schwatzte meistens ohnehin in der Nähe mit ihnen. Ich hingegen versuchte, mich stets recht unauffällig zu
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