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02 - Hinter goldenen Gittern - Ich wurde im Harem geboren

Titel: 02 - Hinter goldenen Gittern - Ich wurde im Harem geboren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Choga Regina Egbeme
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den Rücken und schleppte mich das ganze Stück bis zur Farm. Es dämmerte fast, als wir endlich heimkamen.
    Ich wollte nicht sündigen. Aber ich wollte auch nicht den weiten Weg zum Markt und zurück zu Fuß gehen müssen. Denn die einzige Alternative bestand aus einem vierrädrigen Handkarren, einer Art stabilem, aber schwerem Anhänger, den beladen nur ein kräftiger Mann wie Jo befördern konnte. Mich zu den Waren zu setzen und von ihm ziehen zu lassen, wäre mir nicht in den Sinn gekommen. Ich war doch keine Prinzessin!
    Also sann ich nach einem Ausweg. Ich erzählte Mutter zwar von dem Weißen und lieferte viel Geld bei ihr ab - aber nicht alles. Der Schwindel fiel niemandem auf, da Jo nicht dabei war. Ich behielt ein Viertel des Geldes und stopfte es - sorgsam verpackt in eine Plastiktüte - in eine alte Blechdose, die ich hinter dem Bougainvilleabusch vergrub. Ich schämte mich, dass ich nicht mal ein schlechtes Gewissen hatte, und war sogar noch ein bisschen stolz auf mein geschicktes Vorgehen. An meine beiden Schwestern, die viel härter schufteten als ich, dachte ich in dem Moment nicht.
    Mutter machte sich um Jos kaputtes Motorrad wenig Sorgen. „Wir kommen auch ohne zurecht“, meinte sie nur. „Wir haben ja noch den alten Traktor.
    Okereke kann dich damit zum Markt bringen. Wenn der deutsche Mann mehr kaufen will, ist es ohnehin besser, ihr nehmt den Traktor und einen Anhänger.“
    Überdies war gerade die Zeit, in der die Süßkartoffeln reif waren, und für die Ernte wurde Jo dringend gebraucht. Auf dem Markt angekommen, erwies sich meine Befürchtung, der alte Lehrer würde die ganze Zeit über bei mir bleiben, als überflüssig. Im Gegenteil: Okereke setzte mich mit der Ware ab und fuhr weiter.
    Diesmal tauchte der Deutsche mit seiner weißen Frau und einem schwarzen Bediensteten auf. Die Frau deutete auf das Einmachgemüse, von dem sie mir praktisch sämtliche Töpfe aufkaufte, und dafür einen Berg von leeren, sauber gespülten ablieferte. Sie lobte die köstlichen Speisen und fragte mich über meine Mutter aus. Die hatte mir zu Hause eingeschärft, auf keinen Fall zu verraten, wo sich unsere Farm befand.
    „Warum denn nicht?“, hatte ich gefragt.
    „Wir wollen hier in Ruhe leben“, hatte sie gesagt. Das hatte ich eingesehen.
    „Seid ihr denn die einzigen Deutschen, die auf der Farm leben?“, wollte die weiße Frau auf dem Markt von mir wissen.
    „Ich bin Nigerianerin“, antwortete ich. Dann fragten sie, ob ich schon mal in Deutschland gewesen sei und wer mein Vater sei. Das ärgerte mich. Ich dachte an die Blechdose im Versteck und an das Geld, das ich haben wollte, damit Jo wieder ein Motorrad bekam. „Kann ich bitte das Geld haben?“, fragte ich daher leise. Der Mann griff in die Tasche und legte einen kleinen Berg Scheine vor mich hin. Hastig ließ ich die Nairas verschwinden; es waren, das erkannte ich, ohne nachzuzählen, noch mehr als beim ersten Mal.
    Dann fingen die Fremden wieder von den schwarzen Madonnen an und wollten wissen, warum wir die machten. Sie fragten, ob ich auch glaubte, dass Jesus schwarz sei. „Ja“, antwortete ich.
    „Und deine Mutter glaubt das auch?“, fragte die Frau aus Deutschland. Ich nickte. „Aber deine Mutter kann das doch nicht immer geglaubt haben“, sagte die Fremde.
    Ich weiß noch, dass ich auf die Schuhe der beiden Deutschen sah. Sie waren aus Leder, aus neuem Leder. Ob es wohl angenehm ist, in solchen Schuhen zu laufen?, dachte ich. Dann fiel mir Magdalena ein, meine deutsche Schwester. Ob sie auch solche Schuhe trug, wenn sie über die grünen Wiesen mit den Margeriten lief?
    „Lass das Mädchen“, sagte der Mann. Er gab mir noch mehr Geld und nahm die fünf Madonnen mit, die wir in der vorangegangenen Woche geschnitzt hatten.
    Zu mehr hatte die Zeit wegen der Kartoffelernte nicht gereicht, obwohl ich allein drei fertig gestellt hatte.
    „Bist du glücklich, mein Kind?“, fragte mich die Frau. Ich sah noch immer auf ihre Schuhe; sie hatte weiße, schmale Füße.
    „Ich möchte mal Ihre Schuhe anziehen“, stieß ich unvermittelt hervor. Die Frau streifte die Sandalen ab und reichte sie mir. Ich zog sie an und stand auf. Sie waren viel zu groß. Trotzdem machte ich einige Schritte.
    „Mein Gott, sie ist ein Krüppel“, hörte ich die Frau hinter meinem Rücken sagen.
    „Sie versteht dich doch!“, zischte ihr Mann.
    Die Schuhe waren ganz weich, nicht so hart wie jene, die ich in Lagos erhalten hatte und die sich wie Krücken

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