02 - Hinter goldenen Gittern - Ich wurde im Harem geboren
Dabei gab es draußen so viel Nützlicheres für mich zu tun! Ich besprach
mich mit Idu. „Kannst du mich nicht zur Feldarbeit einteilen? Das kann ich viel besser.“
„Wenn du möchtest. Ich dachte, ich tue dir einen Gefallen, wenn ich dich schone“, antwortete sie.
„Ich brauche keine Schonung, sondern richtige Arbeit.“
„Einverstanden. Du weißt ja am besten, was du tun kannst. Also leg los, Kleine!“, meinte Idu gönnerhaft.
Die anstehende Arbeit war ein willkommener Anlass, die Nähe von Jo zu suchen. Gemeinsam schmiedeten wir Pläne, wo zu beginnen sei. Schon bald hatten wir eine Liste mit notwendigen Anschaffungen erstellt. Doch Papa Felix weigerte sich, uns Geld zu geben, um Saatgut und Ersatzteile für den Traktor und die ebenfalls schadhaften Pumpen zu besorgen. Felix' weißen Mercedes durfte Jo natürlich nicht fahren, denn der war ja das Zeichen der ihm von Gott geschenkten Gunst. An das Steuer des Lastwagens traute sich Jo nicht. Ich beschloss, Mutter anzurufen, und suchte das von ihr versprochene Telefon -
vergeblich.
„Es steht in meinem Zimmer“, eröffnete mir Papa Felix auf meine schüchterne Nachfrage. „Du bist meine Frau, Choga, es ist ohnehin an der Zeit, dass du mich in meinem Zimmer besuchst. Oder hat Mama Uloma dir nicht beigebracht, welche Pflichten eine christliche Ehefrau gegenüber ihrem Mann hat?“
Ich fühlte mein Herz bis zum Hals schlagen, doch vor lauter Wut brachte ich keinen Ton hervor. Ich machte auf dem Absatz kehrt und eilte davon. Offen durfte ich mich auf keinen Fall gegen den mir angetrauten Mann stellen. Aber ich musste erkennen, dass es sehr schwer werden würde, Mutters „Abkommen“
ohne sie durchzusetzen. Denn sie war gut 1 000 Kilometer weit entfernt.
Tagelang überlegte ich, wie ich Mutter um Hilfe bitten konnte, ohne Felix in seinem Zimmer aufsuchen zu müssen. Ich dachte auch kurz daran, Rhoda einzuweihen, ihr von meinen Ängsten zu erzählen und sie um Hilfe zu bitten.
Doch
dann verwarf ich den Gedanken wieder. Zwar war sie die einzige meiner Mitfrauen, mit der ich überhaupt in engerem Kontakt stand - sie hatte mir inzwischen auch ein paar Sätze in ihrer Sprache beigebracht -, doch so richtig traute ich ihr nicht über den Weg.
Überall war etwas zu tun, aber außer Jo arbeitete niemand wirklich. Der alte Lehrer Okereke war kurz nach unserer Abreise zwei Jahre zuvor fortgegangen; er hatte sich nicht mit Felix verstanden. Allein oder in Begleitung meines Bruders arbeitete ich auf den Feldern. Wir schufteten von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang.
Vor allem lag mir das Gewächshaus, mit dessen Erträgen gutes Geld zu verdienen war, am Herzen. Wir benötigten dafür dringend eine stabile Abdeckplane, doch fehlte es am nötigen Geld. Eines Abends, als alle anderen schon schliefen, überzeugte ich mich davon, dass meine Ersparnisse noch den unter den Bougainvilleabüschen ruhten. Die Scheine rochen zwar etwas muffig, doch offensichtlich hatte niemand das Geld entdeckt. Aber dann kamen mir Zweifel. Ich konnte den versteckten Schatz jetzt nicht ausgeben, schließlich hatte ich der weißen Madonna versprochen, ihn für mein Kind aufzuheben.
Selbst die kleine Kirche, die uns Papa David vor Jahren für unsere gute Arbeit spendiert hatte, befand sich in einem beklagenswerten Zustand. Direkt neben der weißen Madonna spritzten die Regentropfen nur so auf den Boden. Ich kniete in der Nässe nieder und fragte die Madonna um Rat, doch ich konnte ihre Antwort nicht hören.
Sollte ich einfach aufgeben? Mich in mein Schicksal fügen und tun, was Papa Felix von mir erwartete? Eine „gute Ehe“ führen, seine Kinder zur Welt bringen? Würde ich so wie die anderen Frauen neben Felix dumpf dahinleben und alles verkommen lassen, was mir etwas bedeutete? Oder sollte ich aufbegehren, ungehorsam sein und machen, was ich für richtig hielt? Mit allen Folgen, die unweigerlich eintreten würden?
Draußen goss es in Strömen. Neben der Kirche lag eine Leiter, halb überwuchert von altem, verdorrtem Gras, aus dem einige neue Halme hervorlugten. Ich musste sie nur nehmen, anlegen, hinaufklettern und das Dach wieder richten, wie ich es unzählige Male Mama Ada hatte tun sehen. Aber ich war noch nie auf eine Leiter gestiegen .. Ich wusste, theoretisch war es ganz einfach. Ich brauchte nur ein paar Palmwedel und Bast.
Also besorgte ich mir am nächsten Morgen ein großes Messer, schlug trotz des noch immer niedergehenden Regens die Palmwedel ab, fand den Bast und
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