02 - Hinter goldenen Gittern - Ich wurde im Harem geboren
geheiratet; aber gab ihm das denn das Recht, mich so zu behandeln, dass ich mich nur bedroht statt geliebt fühlen konnte? Niemals hatte er meine Arbeit anerkannt, sondern immer nur genommen. Wir lebten zwar unter
einem Dach, aber es verband uns nichts. Außer dem Abkommen, einander in Ruhe zu lassen.
Die Madonna konnte mir nichts sagen, so kniete ich vor dem gekreuzigten, schwarzen Jesus nieder. Wie traurig er aussah. Auf dem Altar lag die abgegriffene Bibel, aus der Papa Felix zu predigen pflegte. Die Stellen, die ich aufschlug, spendeten mir keinen Trost, denn es waren jene, die Felix für gewöhnlich vorlas. Sie handelten von Verzicht und entsagungsvoller Demut.
Doch danach lebten weder Felix noch Idu. Ich schlug das Buch zu und machte mich auf die Suche nach Jo, in dessen Nähe ich mich sicher fühlte. Über das Vorgefallene zu reden, war mir leider nicht möglich, da sämtliche sexuellen Themen zwischen Jo und mir tabu waren.
Zu meiner grenzenlosen Erleichterung brachte ich den Abend hinter mich, ohne Felix noch einmal zu begegnen. Er hatte sich nach dem Zwischenfall im Treibhaus wutentbrannt in seinen Wagen gesetzt und war davongebraust. Meine Mitfrauen hatten glücklicherweise von all dem nichts mitbekommen, einzig Idu warf mir beim Abendessen, dem das Familienoberhaupt fernblieb, einige argwöhnische Blicke zu.
Ich richtete es so ein, dass mein Bruder in den folgenden Tagen immer dabei war, wenn ich im Treibhaus arbeitete, um mich keinen Angriffen mehr auszusetzen. Am Markttag überließ ich Jo den Stand und wartete im Telegrafenamt stundenlang auf eine Verbindung zum Harem, aber ich bekam Mutter nicht ans Telefon. Endlich hörte ich Mama Adas Stimme.
„Papa David geht es sehr schlecht“, sagte Ada. „Er müsste dringend ins Krankenhaus, aber er weigert sich.“ Sie konnte mir allerdings nicht sagen, was er hatte. Nur, dass er völlig entkräftet und abgemagert sei. Seit Wochen liege er im Bett, berichtete sie. Ständig seien Frauen bei ihm, die sich um ihn kümmerten. Dann fragte Ada, wie es mir gehe, ob ich denn schon ein Baby bekäme.
Niedergeschlagen kehrte ich nach dem Gespräch zu Jo zurück. Um ihn nicht auch noch zu entmutigen, log ich, dass ich
niemanden erreicht hätte. Mir war klar, dass ich meine Probleme selbst lösen musste. Wenn es Papa David so schlecht ging, würde jeder Hilferuf nach Lagos das Gegenteil dessen erreichen, was ich wollte. Meine Mutter hätte nicht mehr die Macht, Felix in seine Schranken zu weisen, da sie selbst sich nicht auf die Autorität meines Vaters stützen konnte. Was für eine seltsame Krankheit war das, die meinen Vater derart schwächte?
Durch dieses Telefonat hatte ich auch erfahren, dass Mutter schon einige Male versucht hatte, mich anzurufen, und Felix ihr versprochen hatte, es mir auszurichten. Und mit Sicherheit hatte er durch das Telefon in seinem Zimmer auch erfahren, wie es um Papa David stand.
Felix brauchte nur noch abzuwarten. Wenn es Gottes Wille war, dass die Krankheit meinen Vater dahinraffte - und das musste ich nach Mama Adas Worten wirklich befürchten -, würde Felix bald die gesamte Familie beherrschen. Ich sah deutlich vor mir, was geschehen würde: Vaters Stellvertreter würde sich an keine Abmachung mehr halten. Er stand kurz davor, meinem Vater die Macht entreißen zu können. Und ich wusste nicht, wie ich das verhindern konnte. Ich hatte ja nicht mal eine Ahnung, wie ich noch für meine eigene Sicherheit sorgen konnte.
Das gestohlene Leben
Es geschah bereits in der gleichen Nacht, in der ich vom Markt heimkehrte.
Diesmal hatte Jo mich nicht beschützen können. Felix hatte mich erwartet.
Kaum war ich zur Tür herein, riss er mich in sein Zimmer, entkleidete mich und warf mich auf sein Bett. Nicht ein Wort sagte er, ich hörte ihn nur stöhnen und dann spürte ich den wahnsinnigen Schmerz, als sein Messer rücksichtslos in mich drang. Ich sehnte mich weit fort von mir selbst und sah gleichzeitig das wunderschöne Gesicht der weißen Madonna vor mir, die ich anflehte, jetzt nicht sterben zu müssen. Nicht an diesem Ort, nicht in diesem Bett, in dem einst meine Mutter geschlafen hatte. Dieser Mann tat, was nach seiner Meinung sein Recht war. Aber es war nicht richtig. Es war niedere Gewalt, die er mir zufügte.
Irgendwann konnte ich ihm entkommen, nackt und schmutzig. Meine Beine waren voller Blut, das in der Dunkelheit auf meiner Haut aussah wie Dreckflecken. Wie von Sinnen floh ich hinaus auf die Felder. Es war eine klare
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