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02 - Keiner werfe den ersten Stein

02 - Keiner werfe den ersten Stein

Titel: 02 - Keiner werfe den ersten Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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beiden?«
    »Ihrem Verhalten nach nicht mehr als Freundschaft. Er bemerkte, er hätte in der vergangenen Woche immer wieder versucht, sie telefonisch zu erreichen, und mindestens ein Dutzend Nachrichten auf dem Anrufbeantworter hinterlassen. Und sie lachte nur und sagte, es täte ihr schrecklich leid, daß sie ihn ignoriert habe, aber sie hätte ihren Anrufbeantworter nicht einmal abgehört, weil sie mit einem Buch, das sie ihrem Verleger fest versprochen habe, sechs Monate im Rückstand sei und immer Angst gehabt hätte, er könne dran sein und fragen, wann das Werk denn nun eigentlich käme.«
    »Ein Buch?« wiederholte St. James. »Sie schrieb an einem Buch und einem Theaterstück?«
    Helen lachte etwas bekümmert. »Eine unglaubliche Person, nicht? Und ich komme mir schon unheimlich fleißig vor, wenn ich es schaffe, innerhalb von fünf Monaten einen einzigen Brief zu beantworten.«
    »Ich könnte mir vorstellen, daß sie eine Frau war, auf die viele eifersüchtig oder neidisch waren.«
    »Vielleicht. Ich hatte eher den Eindruck, daß sie ein ziemlich ausgeprägtes Talent besaß, andere vor den Kopf zu stoßen, ohne sich selbst dessen bewußt zu sein.«
    Sie erzählte ihm von Joys Bemerkungen über ein Reingale-Gemälde, das im Salon über dem Kamin hing. Es zeigte eine weißgekleidete Frau der Regency-Ära mit ihren beiden Kindern und einem verspielten kleinen Terrier mit einem Ball.
    »Sie sagte, sie hätte das Bild nie vergessen. Wenn sie als Kind auf Westerbrae gewesen sei, habe sie sich immer vorgestellt, sie selbst sei diese weißgekleidete Frau, sicher und geborgen und bewundert, mit zwei schönen Kindern, die sie von Herzen liebten. Mehr, meinte sie, könne man doch eigentlich nicht verlangen, und es sei schon seltsam, wie das Leben so spielt. Ihre Schwester saß direkt unter dem Gemälde, während Joy sprach, und ich weiß noch, daß Irene plötzlich sehr rot wurde. Sie sah aus, als hätte sie von einem Moment auf den anderen Nesselfieber bekommen.«
    »Wieso das?«
    »Na ja, Irene hatte das alles doch einmal gehabt. Sicherheit, Geborgenheit, einen Mann und zwei Kinder. Und dann hat Joy das alles zerstört.«
    St. James machte ein skeptisches Gesicht. »Woher willst du so genau wissen, daß Irene Sinclairs Reaktion auf die Worte ihrer Schwester zurückzuführen war.«
    »Ich weiß es natürlich nicht mit Sicherheit. Aber beim Abendessen, als Joy und Jeremy Vinney sich miteinander unterhielten und Joy alle möglichen witzigen Bemerkungen über ihr neues Buch machte und die ganze Gesellschaft mit der Geschichte von irgendeinem Mann unterhielt, den sie in den Fens hatte interviewen wollen, machte Iren ...« Helen zögerte. Es war schwierig, den beklemmenden Eindruck in Worte zu fassen, den Irene Sinclairs Verhalten auf sie gemacht hatte. »Irene saß völlig still, ohne sich zu rühren, und starrte in die Flamme ihrer Kerze auf dem Tisch, und dabei - es war gräßlich, Simon. Sie bohrte sich die Zinken ihrer Gabel ganz tief in den Daumen. Aber ich glaube, sie spürte überhaupt nichts.«

    St. James blickte nachdenklich auf seine Schuhe hinunter. Sie waren schmutzig vom Matsch der Auffahrt, und er bückte sich, um sie abzuwischen.
    »Dann muß aber Joanna Ellacourt Irenes neue Rolle in der veränderten Version des Stücks falsch wahrgenommen haben. Weshalb hätte Joy Sinclair für ihre Schwester schreiben sollen, wenn diese sie bei jeder Gelegenheit vor den Kopf stieß?«
    »Ich sag dir doch, meiner Ansicht nach geschah das völlig unbewußt. Und was das Stück angeht - vielleicht hatte Joy ein schlechtes Gewissen. Sie hatte immerhin die Ehe ihrer Schwester zerstört. Die konnte sie ihr nicht wiederherstellen. Aber ihre Karriere konnte sie fördern.«
    »Ausgerechnet in einem Stück mit Robert Gabriel? Nach einer unerfreulichen Scheidung, an der Joy selbst mitschuldig war? Ich finde das eher sadistisch.«
    »Aber nein, es war ja sonst niemand in London bereit, Irene eine Chance zu geben, Simon. Offenbar hat sie schon seit Jahren nicht mehr gespielt. Dieses Stück ist vielleicht ihre einzige Chance für ein Comeback.«
    »Erzähl mir etwas über das Stück.«
    Helen meinte, Joys Beschreibung der neuen Version ihres Stücks - das war vor der Lesung gewesen - sei absichtlich provokativ gewesen. Als Francesca Gerrard sie danach gefragt hatte, hatte sie mit einem Lächeln in die Runde gesagt: »Es spielt in einem Haus, das diesem hier sehr ähnlich ist. Mitten im tiefsten Winter, bei vereisten Straßen in

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