Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
02 - Keiner werfe den ersten Stein

02 - Keiner werfe den ersten Stein

Titel: 02 - Keiner werfe den ersten Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
Vom Netzwerk:
fliehenden Kinn; groß und mager, mit langen Gliedern und eckigen Bewegungen. Sie schien alle Häßlichkeit der Familie Rintoul mitbekommen zu haben. Elizabeth hatte oft gedacht, daß dies der Grund sein müsse, warum ihre Tante so viel Modeschmuck trug; daß sie hoffte, damit die Aufmerksamkeit von ihrem Gesicht und ihrem Körper abzulenken.
    »Du darfst es ihr nicht übelnehmen, Elizabeth«, sagte Francesca besänftigend. »Sie meint es gut. Sie meint es wirklich gut. Du darfst es dir nicht so zu Herzen nehmen.«
    Elizabeth schüttelte den Kopf. Wie gut ihre Tante sie kannte. Wie gut sie sie immer verstanden hatte. »Hol doch Mr. Vinney etwas zu trinken, Kind ... sein Glas ist fast leer«, äffte sie voll Bitterkeit ihre Mutter nach. »Ich wäre am liebsten in den Boden versunken. Trotz der Polizei. Trotz Joy. Sie kann's nicht lassen.
    Sie wird es nie lassen. Es wird ewig so weitergehen.«
    »Sie möchte doch nur, daß du glücklich wirst, Elizabeth. Und sie sieht das Glück für dich in der Ehe.«
    »In so einer wie ihre eigene vielleicht?« entgegnete Elizabeth ätzend.
    Francesca runzelte die Stirn. Sie legte die Bürste auf die Kommode und den Kamm säuberlich daneben. »Habe ich dir die Fotos gezeigt, die Gowan mir gegeben hat?« fragte sie und zog an der obersten Schublade. Sie knarrte und blieb stecken. »Er ist so ein netter Junge. Er hatte in einer Zeitschrift solche Vorher-Nachher-Bilder gesehen und meinte, das sollten wir auch machen. Wir sollten jedes einzelne Zimmer vor und nach der Renovierung fotografieren. Und wenn alles fertig ist, die ganze Serie vielleicht im Salon ausstellen. Sie wären sicher auch für einen Historiker interessant. Oder -« Sie kämpfte mit der Schublade, aber ohne Erfolg.
    Elizabeth sagte nichts. So war es immer schon gewesen in dieser Familie: unbeantwortete Fragen, Geheimnisse, Ablenkung, Ausweichen. Alle waren sie Verschworene, die eisern zusammenhielten, um die Vergangenheit totzuschweigen. Ihr Vater, ihre Mutter, Onkel Geoffrey, Großvater. Und jetzt auch Tante Francie. Auch ihre Loyalität gehörte der Familie.
    Sinnlos, länger zu bleiben. Nur eines mußte zwischen ihnen noch gesagt werden. Elizabeth wappnete sich dafür.
    »Tante Francie. Bitte.«
    Francesca sah auf. Sie rüttelte immer noch erfolglos an der Schublade.
    »Ich wollte es dir sagen«, begann Elizabeth. »Ich finde, du mußt es wissen. Ich - ich habe das gestern nicht richtig erledigen können.«
    Francesca ließ den Griff der Schublade los. »Inwiefern?«
    »Ich - sie war nicht allein. Sie war nicht einmal in ihre!Zimmer. Ich hatte gar keine Möglichkeit, mit ihr zu sprechen und ihr auszurichten, was du gesagt hattest.«
    »Das macht doch nichts, Elizabeth. Du hast dein Bestes getan. Und ich bin sowieso -«
    »Nein! Bitte!«
    Die Stimme ihrer Tante war - wie immer - voller Teilnahme und Verständnis. Francesca wußte, wie es war, wenn man sich als unfähiges Geschöpf ohne Begabung und ohne Hoffnung fühlte. Elizabeth spürte, wie ihr angesichts dieser bedingungslosen Zuwendung die Tränen kamen. Aber sie wollte nicht weinen - weder aus Kummer noch aus Schmerz -, sie wollte nicht. Darum drehte sie sich um und floh aus dem Zimmer.

    »Verdammtes Ding!« Gowan Kilbride war mit seiner Geduld am Ende. Die Sache in der Bibliothek war schon schlimm genug gewesen, aber hinterher war es noch schlimmer geworden, als er sich vorgestellt hatte, daß Mary Agnes womöglich diesem geschniegelten Gabriel all das erlaubt hatte, was sie ihm, Gowan, seit Wochen hartnäckig verwehrte. Und dann mußte ihn zu allem Überfluß Mrs. Gerrard auch noch in die Spülküche runterjagen, um diesen verdammten Boiler auf Touren zu bringen, der schon seit mindestens fünfzig Jahren nicht mehr richtig funktionierte. Wie sollte ein Mensch das alles ertragen!
    Mit einem wütenden Fluch schmiß er den Schraubenschlüssel zu Boden, so daß prompt eine der alten Fliesen zersprang, ehe das Werkzeug unter die glühenden Spiralen des infernalischen Boilers rutschte.
    »Mist! Mist! Mist!« schrie Gowan wütend.
    Er kniete sich auf den Boden, machte seinen Arm lang und verbrannte sich am glühend heißen Boden des Boilers.
    »Au, verdammt noch mal!« schrie er auf, warf sich auf di!Seite und starrte das alte Gerät so wütend an, als hätte dieses es absichtlich auf ihn abgesehen. Er gab ihm einen Tritt. Und noch einen. Er dachte an Robert Gabriel und Mary Agnes und verpaßte dem Boiler einen dritten Tritt, unter dessen Wucht eines der rostigen

Weitere Kostenlose Bücher