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02 - Keiner werfe den ersten Stein

02 - Keiner werfe den ersten Stein

Titel: 02 - Keiner werfe den ersten Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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Tablett ins Zimmer, um es auf einem niedrigen Tisch vor dem Kamin abzusetzen. Die Flammen spielten rötlich auf dem Porzellan und gaben dem Tablett einen goldenen Glanz. »Und sie hat seit heute morgen nichts mehr gegessen. Ich kümmere mich gleich mal um sie, wenn Sie sich mit dem Kaffee selbst bedienen.«
    »Ich denke, das schaffen wir, Cotter. Und wenn noch Schokoladenkuchen da ist, würden Sie dann Lady Helen noch ein Stück abschneiden? Sie hätte schrecklich gern noch eines, aber Sie wissen ja, wie sie ist. Viel zu wohlerzogen, um eine zweite Portion zu verlangen.«
    »Ach was, er schwindelt mal wieder«, warf Helen ein. »Er will nur nicht zugeben, daß er selbst noch ein Stück haben möchte.«
    Cotter sah von einem zum anderen. »Zwei Stück Schokoladenkuchen«, sagte er nur. »Und einen Imbiß für Miss Havers.«
    Als er gegangen war, sah St. James Barbara an. »Sie sehen müde aus.«
    »Wir sehen alle müde aus«, meinte Helen. »Kaffee, Barbara?«
    »Mindestens zehn Tassen«, antwortete Barbara. Sie schlüpfte aus ihrem Mantel, zog die Wollmütze vom Kopf, warf beides aufs Sofa und ging ans Feuer, um sich die kalten Hände zu wärmen. »Es schneit.«
    Helen schauderte. »Nach dem vergangenen Wochenende möchte ich von Schnee am liebsten überhaupt nichts mehr hören.« Sie reichte St. James eine Tasse Kaffee und schenkte noch zwei ein. »Ich kann nur hoffen, daß Ihr Tag produktiver war als meiner, Barbara. Nachdem ich fünf Stunden lang in Geoffrey Rintouls Geschichte herumgegraben hatte, kam ich mir vor wie einer von diesen Leuten, die im Auftrag des Vatikans das Leben der Märtyrer erforschen, die heiliggesprochen werden sollen.« Sie sah St. James lächelnd an. »Kannst du es ertragen, das alles noch einmal zu hören?«
    »Ich kann es kaum erwarten«, erwiderte er. »Da bekomme ic!Gelegenheit, meine eigene anrüchige Vergangenheit unter die Lupe zu nehmen und in mich zu gehen.«
    »Wie sich das gehört.« Helen kehrte zum Sofa zurück, setzte sich, schlüpfte aus ihren Schuhen und zog die Beine hoch. Mit Genuß trank sie von ihrem Kaffee.
    Immer anmutig, immer elegant, dachte Barbara. Selbst jetzt, wo sie todmüde sein mußte. Selbstsicher. Ohne eine Spur von Gezwungenheit. In ihrer Gegenwart fühlte Barbara sich unweigerlich wie ein reizloser Trampel. Sie fragte sich jetzt, wie so oft, wie Deborah St. James es mit solcher Gelassenheit hinnehmen konnte, daß ihr Mann und Helen Clyde drei Tage die Woche in seinem Labor oben im Haus zusammen arbeiteten.
    Helen nahm ihre Handtasche und zog ein kleines schwarzes Notizbuch heraus. »Nach eingehender Konsultation diverser Nachschlagewerke über Englands Adel und einem langen Telefongespräch mit meinem Vater, der über jeden, der einen Titel getragen hat, so ziemlich alles weiß, was es zu wissen gibt, bin ich jetzt über den guten Geoffrey Rintoul bestens informiert. Also, paßt auf.« Sie schlug das Notizbuch auf. »Am 23. November 1914 geboren, Vater Francis Rintoul, vierzehnter Earl of Stinhurst, Mutter Astrid Seivers, reiche amerikanische Erbin à la Vanderbilt, die 1925 starb und Francis mit drei kleinen Kindern zurückließ. Wenn man Geoffreys Karriere ansieht, scheint der Vater die Erziehung sehr erfolgreich selbst in die Hand genommen zu haben.«
    »Er hat nicht wieder geheiratet?«
    »Nein. Und er scheint auch keine noch so diskreten Affären gehabt zu haben. Aber diese Art der Enthaltsamkeit liegt offenbar in der Familie, wie Sie gleich sehen werden.«
    »Wieso?« fragte Barbara. »Geoffrey war doch gar nicht so abstinent. Er hatte immerhin ein Verhältnis mit seiner Schwägerin.«
    »Vielleicht eine Ausnahme«, meinte St. James.
    Helen fuhr fort. »Geoffrey war erst in Harrow auf der Schule und studierte dann in Cambridge im Hauptfach Wirtschaftswissenschaft, tat sich aber damals schon als Diskussionsredner hervor. 1936 machte er in Cambridge einen glänzenden Abschluß, aber erst im Oktober 1942 machte er wirklich von sich reden. Er muß tatsächlich ein ungewöhnlicher Mann gewesen sein. Er kämpfte mit Montgomery bei El Alamein in Nordafrika.«
    »Und sein Rang?«
    »Captain. Er gehörte zu einer Panzerdivision. Bei einem der schlimmsten Angriffe wurde sein Panzer getroffen und geriet in Brand. Geoffrey holte zwei seiner Kameraden, die verwundet wurden, aus dem brennenden Panzer und schleppte sie über eine Meile weit, um sie in Sicherheit zu bringen. Und das, obwohl er selbst verwundet war. Dafür wurde er später mit dem VictoriaKreuz

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