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02 - Keiner werfe den ersten Stein

02 - Keiner werfe den ersten Stein

Titel: 02 - Keiner werfe den ersten Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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kann.«

11
    Das Dorf Porthill Green wirkte wie ein unnatürlicher Auswuchs, der aus der dunklen, torfreichen Erde der Fens von East Anglia in die Höhe gewachsen war. Fast im Zentrum des Dreiecks gelegen, das von den Orten Brandon, Mildenhall und Ely gebildet wurde, war das Dorf im Grunde nicht viel mehr als eine Kreuzung dreier schmaler Landstraßen, die sich durch Zuckerrübenfelder schlängelten und mittels Brücken, die kaum breit genug für ein Auto waren, über lehmbraune Kanäle führten. Die Landschaft rund herum war von den Farben Grau, Braun und Grün beherrscht - grau der trübe Winterhimmel, braun die lehmschweren, von Schneeresten gesprenkelten Felder, grün die üppig wuchernden Raine zu beiden Seiten der Landsträßchen.
    Attraktionen hatte das Dorf keine zu bieten. Neun Häuser aus Flintstein und vier Fachwerkhäuser, an denen teilweise angeschlagene und verrußte Schilder hingen, säumten die Hauptstraße. Am Dorfrand war eine Tankstelle mit verrosteten Zapfsäulen, und am Ende der Hauptstraße lag, von einem von Wind und Wetter glattgeschliffenen keltischen Kreuz markiert und jetzt von Schnee fast zugedeckt, der grüne Dorfanger, der dem Ort wohl den Namen gegeben hatte.
    Hier parkte Lynley seinen Wagen; der Anger lag direkt gegenüber dem Wine 's the Plough, einem Haus, das sich durch nichts von den übrigen vernachlässigten Gebäuden unterschied. Während Barbara Havers ihren dicken braunen Mantel zuknöpfte und Block und Umhängetasche vom Rücksitz nahm, sah Lynley sich das Gasthaus genauer an.
    Früher, das war noch jetzt zu erkennen, hatte es einfach The Plough geheißen; rechts und links von dem Namen waren die Wörter »Wines« und »Liquors« angebracht gewesen. Letzteres jedoch war irgendwann heruntergefallen, und zurückgeblieben war nichts als ein dunkler Fleck auf der Hausmauer, auf dem die Abdrücke der Buchstaben noch schwach zu erkennen waren. Anstatt das Wort »Liquors« neu anzubringen oder die Fassade des Hauses zu streichen, hatte man dem Wort »Wines« einfach einen Apostroph in Form eines in die Mauer gedübelten Blechkrugs verpaßt und so dem Gasthaus einen neuen Namen gegeben.
    »Es ist das Dorf, Sergeant«, sagte Lynley nach einer flüchtigen Musterung durch die Windschutzscheibe. Abgesehen von einem hellbraunen Hund, der an einer Hecke schnupperte, war kein lebendes Wesen auf der Straße zu sehen. Der ganze Ort wirkte wie ausgestorben.
    »Wie meinen Sie das, Sir?«
    »Es ist das Dorf, das die Skizze in Joy Sinclairs Arbeitszimmer zeigte. Die Tankstelle, das Lebensmittelgeschäft, die Kirche, das Pfarrhaus dahinter. Sie war auf jeden Fall lang genug hier, um sich mit allem vertraut zu machen. Ich bin sicher, man wird sich an sie erinnern. Fragen Sie ein bißchen herum, während ich mit John Darrow spreche.«
    Mit einem resignierten Seufzer griff Barbara zur Türklinke. »Immer bleibt die Lauferei an mir hängen!« murrte sie.
    »Da bekommen Sie nach Ihrem Abenteuer von gestern abend wenigstens wieder einen klaren Kopf.«
    Sie sah ihn verständnislos an. »Nach dem Abenteuer von gestern abend?«
    »Na, Abendessen und Kino mit dem Knaben aus dem Supermarkt.«
    »Ach so!« Barbara schüttelte hastig den Kopf. »Das war, weiß Gott, nichts Denkwürdiges, Sir.« Sie öffnete die Tür und ließ einen Schwall kalter Luft, in der sich schwach der Geruch von salzigem Seewasser und totem Fisch mischte, in den Wagen. Dann stieg sie aus, ging zum ersten Haus an der Landstraße und verschwand hinter seiner verwitterten schwarzen Tür.
    Es war noch früh am Nachmittag - die Fahrt von London hierher hatte keine zwei Stunden gedauert -, darum wunderte es Lynley nicht, die Tür zum Wine 's the Plough verschlossen zu finden. Er trat ein paar Schritte vom Haus zurück und sah zu den Fenstern im oberen Stockwerk hinauf, wo er die Wohnung des Wirts vermutete. Reglos hängende Gardinen versperrten den Blick. Nirgends war ein Mensch zu sehen, nichts rührte sich, weder ein Auto noch ein Motorrad stand herum. Es war, als gehörte das Gasthaus niemandem mehr. Doch als Lynley an die Fenster der Gaststube selbst herantrat, sah er durch eine Ritze im Laden im Hintergrund einen Lichtschimmer.
    Er ging wieder zur Tür und klopfte kräftig. Augenblicke später hörte er Schritte. Sie näherten sich der Tür.
    »Wir haben geschlossen«, rief ein Mann mit rauher Stimme.
    »Mr. Darrow?«
    »Ja.«
    »Würden Sie mir bitte aufmachen?«
    »Was wollen Sie?«
    »New Scotland Yard, Kriminalpolizei.«
    Immerhin

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