02 - komplett
besser bei der Viscountess für Ihre unhaltbaren Beleidigungen.“
Doch Lady Vane tat so, als hätte sie Ruth gar nicht gehört. Zufriedenheit über das Unheil, das sie angerichtet hatte, spiegelte sich in ihrer Miene. Gelassen wandte sie sich zum Gehen. Hinter ihr saßen die Countess und Mrs. Peebles immer noch da wie versteinert.
„Wenn Sie mich ignorieren oder ohne Entschuldigung hier hinausgehen, spreche ich mit Mr. Storey und sorge dafür, dass man Sie vor die Tür setzt.“
Abrupt hielt Loretta Vane inne, und zum ersten Mal wirkte sie einen Moment lang unsicher. Offenbar hatte sie einen triumphalen Abgang geplant und wollte sich nicht von den Gastgebern des Hauses verweisen lassen.
Verächtlich starrte sie Ruth an. „Kümmern Sie sich um Ihre eigenen Angelegenheiten! Wer sind Sie überhaupt, und was mischen Sie sich hier ein?“
„Ich bin Mrs. Ruth Hayden“, stellte Ruth sich vor, obwohl es ihr schwerfiel, ruhig zu bleiben. Am liebsten hätte sie Loretta Vane geohrfeigt, um ihr ein für alle Mal den selbstzufriedenen Ausdruck vom Gesicht zu wischen. Nur aus einem einzigen Grund hielt sie sich zurück: Wenn sie sich von Loretta Vane zu einer solch vulgären Handlungsweise hinreißen ließ, würde diese Frau sicherlich frohlocken.
Deshalb griff Ruth zu einer anderen Taktik, die ihr normalerweise ebenso zuwider war: Sie log, und zwar mit größter Überzeugungskraft. „Oh, es handelt sich hier durchaus um meine eigenen Angelegenheiten. Ich bin mit der Viscountess befreundet und außerdem Sir Claytons Verlobte. Da wir bald heiraten werden, muss ich Sie wirklich bitten, zukünftig alle Ihre erbärmlichen Versuche zu unterlassen, sich an meinen Bräutigam heranzumachen.“
14. KAPITEL
„Dieses Biest! Mit welchem Recht hat sie ihre vergifteten Pfeile abgeschossen? Ich habe nicht ein einziges böses Wort über sie zu der Countess gesagt, obwohl ich wirklich stark in Versuchung war.“
„Schsch“, machte Ruth und umarmte die erregte Freundin. „Sie ist gegangen.
Vermutlich wollte sie lieber selbst den Zeitpunkt ihres Abschieds bestimmen, statt hinausgeworfen zu werden.“
„Nun wird das Getuschel über mich beginnen ... Es wird auch dir schaden ... Wir sollten lieber heimgehen.“
„Wenn es hier Getuschel gibt, dann über diese Unruhestifterin, aber nicht über dich“, beruhigte Ruth sie. „Hast du nicht bemerkt, wie entsetzt die Countess und Mrs. Peebles über Loretta Vanes Angriff aussahen?“
Zwar hatte Sarah keine Entschuldigung aus Lady Vanes Mund gehört, aber es hatte ihr Genugtuung bereitet, den hastigen Rückzug der bösartigen Frau mit ansehen zu dürfen. Als Loretta Vane die Flucht ergriff, war ihr höhnisches Lächeln wie weggewischt gewesen, und ihre Wangen hatten einen aschfahlen Ton angenommen.
Offensichtlich haben meine Worte ihr zu schaffen gemacht, dachte Ruth, und dass sie die Behauptung, ich sei mit Clayton verlobt, nicht angezweifelt hat, ist keineswegs verwunderlich. Keine wohlerzogene Dame im Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte würde eine solche Neuigkeit in aller Öffentlichkeit verkünden, wenn sie nicht der Wahrheit entsprach. Zudem käme es gesellschaftlichem Selbstmord gleich, zwei so angesehene Damen der Gesellschaft wie Lady Morganston und Mrs. Peebles zu verärgern. Genau das wäre aber der Fall, wenn die beiden die Kunde von Claytons Verlobung verbreiteten, nur um nachher festzustellen, dass nichts davon stimmte.
Die Folgen wären unausdenkbar.
Nach Loretta Vanes Abgang hatten die beiden Schwestern zunächst Sarah versichert, dass sie ihre uneingeschränkte Unterstützung besaß. Dann hatten sie sich lächelnd und mit Glückwünschen auf den Lippen an Ruth gewandt, waren aber gleich darauf aus dem Damensalon verschwunden. Vermutlich summte bereits der ganze Saal, und es würde nicht lange dauern, bis auch das letzte Mitglied der beau monde von der Verlobung Sir Claytons mit einer gewissen Mrs. Hayden wusste. Angesichts der aufregenden Neuigkeiten würde niemand auch nur einen Gedanken an Sarah und ihre Vergangenheit verschwenden.
„Vielen Dank, dass du mir zur Hilfe gekommen bist“, sagte Sarah, die sich etwas beruhigt hatte. In ihren Augen leuchtete ein kämpferischer Funke. „Wenn ich etwas von dem Angriff geahnt hätte, dann wäre mir schon eine angemessene Entgegnung eingefallen. Aber ihre giftigen Bemerkungen haben mich vollkommen überraschend getroffen. Nur deshalb war ich dem Zusammenbruch nahe.“ Sie entnahm ihrem Retikül ein spitzengesäumtes
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