02 - komplett
warum ist er ihr dann nach London nachgereist, um seinen Antrag zu wiederholen?“
„Er ist hier?“
Christine nickte. „Dr. Bryant besitzt durchaus Verbindungen und Geld. Sein Großvater mütterlicherseits war ein Baron. Zwar konnte er dem Enkel den Titel nicht vererben, aber er hat ihm ein hübsches kleines Vermögen und ein Stadthaus in der Connaught Street hinterlassen.“
„Dann ... dann glaubst du also, dass Ruth Hayden den Arzt grausam an der Nase herumführt? Oder versucht sie, die beiden Männer gegeneinander auszuspielen?“
„Ach, ich bezweifle, dass sie dazu fähig wäre“, antwortete Christine. „Außerdem habe ich in dem Laden heute Morgen mitbekommen, dass die Damen sich über Sir Claytons plötzliches Auftauchen bei der Soiree und seinen noch viel überstürzteren Abgang unterhalten haben.“
„Er ist tatsächlich noch gekommen?“ Loretta war ärgerlich.
„Ja, nur um sich fast sofort mit Mrs. Hayden zusammen zu verabschieden. Nach Meinung von Mrs. Peebles haben sich die beiden gestritten, weil Mrs. Hayden die Katze aus dem Sack gelassen hat, was die Verlobung angeht.“ Christine hielt kurz inne und fuhr dann nachdenklich fort: „Ich glaube allerdings, dass es gar keine Katze gab. Mrs. Hayden und Lady Tremayne sind sehr eng befreundet. Nachdem du Sarah angegriffen hast, halte ich es durchaus für möglich, dass Ruth Hayden das Erste sagte, was ihr in den Sinn kam, um die Freundin zu schützen.“ Sie holte tief Luft, um dann die ungeheuerliche Schlussfolgerung auszusprechen: „Meiner Meinung nach hat Mrs. Hayden gelogen, als sie behauptete, mit Sir Clayton verlobt zu sein. Und ich schätze, dass Dr. Bryant davon nicht viel begeisterter sein dürfte als Sir Clayton.“
17. KAPITEL
„Wo hast du Pomfrey denn nun schließlich aufgestöbert?“
Gavin hatte sich nach einem Besuch bei seinem Rechtsanwalt gerade auf den Heimweg gemacht, als er in der St. James’s Street Clayton entdeckte. Der Freund wirkte tief in Gedanken: Den Kopf gesenkt, die Schultern hochgezogen, schritt er die Straße entlang, während ihm der Wind die blonden Locken zerzauste. Gavin hatte an das Dach seiner Chaise geklopft, um den Kutscher zum Halten aufzufordern. Sobald er hinausgesprungen war, hatte er Clayton seine Frage zugerufen.
Am Vorabend hatte sich keinerlei Gelegenheit ergeben, Clayton auf die Angelegenheit des Ehrenhandels mit Pomfrey anzusprechen. Die Aufregung, die sich der Gesellschaft angesichts des Verlobungsgerüchts bemächtigt hatte, schloss jedes andere Thema aus. Aber an diesem Morgen war Gavin, als er mit Sarah im Park ausfuhr, einem von Pomfreys Freunden begegnet. Christopher Perkins war eigens herübergeritten, um ihm höflich mitzuteilen, dass das Duell abgeblasen war. Sarahs Anwesenheit hatte jedes weitere Gespräch über das Warum und Wieso verhindert, aber Gavin war entschlossen, die näheren Einzelheiten von Clayton selbst zu erfahren.
Eine Augenbraue fragend in die Höhe gezogen, blieb Clayton vor der Tür von White’s stehen. Ein Nicken von Gavin genügte, und nach diesem wortlosen Austausch betraten die Freunde einvernehmlich den Herrenklub.
„Ich habe Pomfrey in Brighton aufgespürt. Seine Mutter wohnt dort“, erklärte Clayton endlich, als sie in den tiefen Lederfauteuils Platz genommen hatten.
„Wollte er sich dort verstecken?“
„Dafür wäre das nicht der geeignete Ort“, antwortete Clayton mit einem Lachen.
„Die alte Dame hat ihm die Hölle heiß gemacht, nicht mir.“ Mit einem Wink bestellte er Drinks, bevor er fortfuhr: „Sie hat ihm die Wahl gelassen, mir entweder zur Versöhnung die Hand zu schütteln oder von ihr eine Ladung Schrot in den Allerwertesten zu bekommen. Da er sich offenbar nicht in der Lage fühlte, ihr im Zweikampf den Schlüssel zum Gewehrschrank abzuringen, hat er lieber nachgegeben.“
Gavin musste bei der drastischen Schilderung lachen. „Ich erinnere mich an die Countess of Elkington – eine Furcht einflößende Matrone. Loretta dürfte es allerdings kaum gefallen, dass Ralph Pomfrey noch stärker unter dem Pantoffel seiner Mutter steht als unter ihrem.“
Bei der Erwähnung seiner ehemaligen Mätresse verzog Clayton grimmig die Lippen.
„Ralph Pomfrey weiß genau, dass er sich wie ein Narr benommen hat ...“ Er brach ab.
„... und er ist nicht der Einzige“, ergänzte Gavin das, was ungesagt geblieben war.
Clayton runzelte die Stirn und murmelte etwas Ungehaltenes darüber, wie lange der Lakai brauchte, um eine Flasche
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