02 Nightfall - Rueckkehr des Engels
sind, stirbt Annie.« Lyons legte auf.
Dante klappte das Mobiltelefon zu und steckte es in Heathers Tasche zurück. »In zehn Minuten bei dir daheim«, erklärte er.
Heather nickte mit zusammengebissenen Zähnen. Sie löste die Handbremse, legte den ersten Gang ein und raste so schnell sie konnte los. Dante lauschte dem nervösen Rhythmus ihres Herzens. Adrenalin würzte ihren Duft, so dass die übliche
Süße des Flieders im Regen nun von einem scharfen Stahlgeruch unterlegt war.
»Halt durch, p’tite «, wisperte Dante. Er wünschte es ihr von ganzem Herzen. Eine Erinnerung schoss ihm durch den Kopf, und einen Moment lang sah er nur noch weißes Licht.
Jay in einer Zwangsjacke, sterbend auf dem kalten Boden des Schlachthauses … Blut läuft aus seinem aufgeschlitzten Hals, färbt sein blondes Haar rot und bildet eine immer größer werdende Lache um seinen Kopf …
Auch Jay hatte er gesagt, er solle durchhalten. Dantes Hände ballten sich zu Fäusten. Er weigerte sich, Annies Namen auf die lange Liste derer zu setzen, die er im Stich gelassen hatte.
»Er will mich«, erklärte er, »und er kann mich haben. Sobald er dir Annie übergibt, verschwindet ihr aus Seattle und fahrt wie geplant nach New Orleans. «
»Ich werde nicht erlauben, dass du dich opferst«, antwortete Heather mit gepresster Stimme. »Wir müssen uns etwas überlegen. Das ist kein guter Plan.«
»Er will, dass ich diese Athena heile. Mir wird er nichts tun.«
»Ich werde nicht zulassen, dass Lyons mit dir wegfährt.«
Dante zuckte die Achseln. »Dann töte ich ihn, sobald sich die Gelegenheit dazu ergibt.«
»Nein.«
»Warum nicht?«
»Weil du zwei Spritzen mit ausreichend Morphium vorbereitest, um einen Sterblichen einige Stunden lang in Tiefschlaf zu versetzen. Darum. Wer von uns zuerst an ihn rankommt, verpasst ihm die Spritze. Glaubst du, du schaffst es, in seinen Geist einzudringen, um herauszufinden, wo Annie ist?«
» Ja, das sollte kein Problem sein. «
Weißes Licht tanzte am Rand von Dantes Sichtfeld, und ein stechender Schmerz bohrte sich in seine Schläfen und kratzte hinter seinem linken Auge. Er zwang sich, nicht darauf zu
achten. Hoffentlich würde ihm das noch etwas länger gelingen – und wenn nicht? Ihm lief ein kalter Schauer über den Rücken, als er daran dachte.
Ich muss sie benutzen, ehe sie überhandnehmen.
»Versprich mir, dass beide Spritzen nicht tödlich sind.«
Dante sah Heather einen Augenblick lang an. Er spürte die Anspannung in ihrem Körper und sah das Vertrauen in ihren Augen. Sie wusste, dass er nie log. Also fasste er hinter sich, nahm die schwarze Tasche und zog den Reißverschluss auf. Er holte eine Spritze heraus und nahm die Kappe von der Nadel.
»Ich verspreche gar nichts.« Tief in ihm begannen Wespen zu summen.
Er würde alles tun, um Heather und Annie zu retten – egal, welchen Preis er dafür bezahlen musste.
34
BODENLOSE TIEFEN
Seattle, Washington · 24. März
Sheridan beobachtete auf dem Minimonitor, wie der Trans Am in Wallaces Einfahrt fuhr. Die Scheinwerfer erloschen. Die Beifahrertür öffnete sich, und Dante Prejean stieg aus. Das Licht der Straßenlaternen schimmerte auf seiner Lederhose und seinem Latex-Shirt und ließ seine Haare bläulich schimmern.
Er ging die Einfahrt hinunter, und Sheridan konnte nicht anders, als seine federnde, raubtierartige Anmut zu bewundern. Er bemerkte auch, dass die Körpersprache des Vampirs seine angespannten Muskeln und große Nervosität verriet. Hunger.
Prejean sah die Straße hinauf und hinunter, fuhr sich dann mit der Hand durchs Haar, drehte sich auf dem Absatz um und ging die Einfahrt wieder hoch. Spannend. Offenbar wartete er auf jemanden, war aber nicht froh darüber, dass dieser jemand kommen sollte.
Mal sehen, auf wen er wartet.
Dante ging um den Wagen herum auf Heathers Seite. Der Kies knirschte unter seinen Stiefeln. Es hatte wieder zu nieseln begonnen, und die kleinen Regentropfen glitzerten auf ihrem schwarzen Trenchcoat und ließen ihre Haare noch verführerischer als sonst schimmern.
»Wenn alles schiefgeht und Lyons mit dir abhaut«, erklärte sie gequält, »dann werde ich dich finden. Ich werde nicht aufgeben. Hast du gehört?«
Dante umfasste Heathers regenkühles Gesicht mit den Händen. »Ich habe dich gehört, chérie , und das Gleiche gilt für mich.« Er senkte das Gesicht auf ihres. »Viel Glück.« Er küsste sie, und sie erwiderte seinen Kuss voller Leidenschaft. Ihre Lippen öffneten sich
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