02 Nightfall - Rueckkehr des Engels
Teppichboden zu einer Kommode, die sich an der Wand dem Bett gegenüber befand. Dort standen gerahmte Fotos, von denen eines Heather mit einem jungen Mädchen mit einem lila Irokesenschnitt und schwarz umrandeten Augen zeigte, neben ihnen ein Junge mit rotblondem Haar in T-Shirt und Jeans. Der Junge und das Mädchen sahen Heather ähnlich
genug, um ihre Geschwister sein zu können. Auf einem anderen Bild hielt Heather eine rotbraune Katze im Arm. Sie vergrub ihr Gesicht im Fell des Tiers, und ihr Blick aus den blauen Augen wirkte glücklich und zufrieden.
Dieselbe Katze drängte sich jetzt gegen Dantes Unterschenkel und machte einen Buckel, damit er sie streichelte. Schmunzelnd beugte er sich zu ihr hinunter und strich ihr über den Kopf. »Du gehörst also zur Familie und nicht zum Sicherheitsdienst«, flüsterte er. »Da habe ich ja nochmal Glück gehabt, was?« Als sich die Katze miauend drehte, bemerkte Dante, dass sie nur drei Beine hatte. »Du anscheinend auch.«
Er richtete sich auf, küsste seine Fingerkuppen und berührte damit das Bild Heathers mit ihrer Katze. Er schob einen Finger in den Eisenring an der obersten Kommodenschublade und wollte sie gerade aufziehen, als er im Wohnzimmer – oder vielleicht auch davor – Schritte hörte, gefolgt von Stille.
Dante neigte den Kopf zur Seite und lauschte.
Der regelmäßige Rhythmus eines Herzens – eines menschlichen Herzens. Das leichte Kratzen auf Holz. Ein Schlüssel? Nein. Das Fenster.
Dante wirbelte herum und schritt aus dem Schlafzimmer. Als er den Flur entlangsprintete, schoss Schmerz durch seinen Kopf und pochte gegen seine Schläfen und sein linkes Auge. Er hielt inne, als er sah, wie eine graue Sporttasche durch das offene Fenster ins Wohnzimmer flog, wo sie mit einem dumpfen Knall landete.
Die mitgenommen wirkende Tasche mit den ausgefransten Griffen stank nach altem Rauch – nach dem von Hasch ebenso wie dem von Zigaretten. Eine Hand mit einer Brechstange hielt sich am Fensterbrett fest. Dante bewegte sich. Er fasste nach der Hand und riss das Arschloch mit einem Ruck ins Zimmer. Ein lautes Reißgeräusch zeigte an, dass die Kapuzenjacke oder die Jeans des Einbrechers zerrissen sein mussten.
Er roch die Einbrecherschlampe, ehe er ihr Gesicht sehen konnte. Sie duftete nach Vanille, Nelken und Lavendelseife. Dahinter verbarg sich jedoch etwas Chemisches, das ihren Duft nicht ganz pur erscheinen ließ. Seine Schläfen pochten gequält, als er das Aroma wahrnahm, das wie Dornen sein Bewusstsein zerkratzte.
Er hielt die Einbrecherschlampe an beiden Schultern fest, wirbelte herum und riss sie zu Boden. Ihr Kopf schlug auf den Teppichboden, und ihr Atem entwich keuchend ihrer Lunge. Dante roch Alkohol – Tequila. Er setzte sich auf sie und presste beide Knie gegen ihren Brustkasten, so dass sie sich kaum mehr bewegen konnte.
Etwas flog sausend durch die Luft. Ohne hinzusehen, hob Dante den linken Arm. Kalter Stahl knallte gegen seine Handfläche. Er entriss dem Fräulein Einbrecherin das Brecheisen und schleuderte es durchs Zimmer, wo es am anderen Ende mit einem dumpfen Schlag auf dem Teppichboden aufschlug. Dante sah in die geweiteten Pupillen, die mit Kajal schwarz umrandet waren.
Ihm lief es kalt den Rücken hinunter, als er sah, wen er vor sich hatte.
Sie riss den Kopf hoch und knallte die Stirn gegen Dantes Gesicht. Knochen schlug auf Knochen, und sogleich schoss Schmerz wie bei einem Hieb mit einem Schlagring in seinen Kopf. Blut troff aus seiner gebrochenen Nase. »Verdammt!«
»Lass mich los!«, schrie die Einbrecherschlampe und begann, sich wie wild zu winden.
Nicht irgendeine Einbrecherschlampe, sondern Annie Wallace. Die frühere Frontfrau der inzwischen nicht mehr bestehenden WDM. Er hatte ihr ernstes Gesicht auf den Fotos erkannt, die auf Heathers Kommode standen.
Dante packte Annie an der schwarzen Kapuze und sprang auf, wodurch er sie mit hochriss. Sie holte mit der Faust aus, traf ihn aber nicht. Er knallte sie gegen die Wand und hielt sie
fest. Als er sah, wie sich ihre Halsmuskeln anspannten, kam er ihr zuvor und verpasste ihr mit der Stirn eine Kopfnuss. Ihre Schädel knallten geräuschvoll aneinander.
Sie schlug mit dem Hinterkopf gegen die Wand, wo eine Delle zurückblieb. Eher verblüfft als verletzt sah sie zu ihm auf. Ihre Augen waren himmelblau, anders als Heathers, die an ultramarinblaues Dämmerlicht erinnerten. Größenmäßig ähnelten die beiden Schwestern einander jedoch – etwa eins sechzig im Gegensatz
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