02 Nightfall - Rueckkehr des Engels
einem süffisanten Lächeln und einem Funkeln in den Augen. Sagte sie diesmal die Wahrheit
und benutzte sie wie ein Messer? Annies Hände hatten auf Dantes Hüften gelegen, als sie hereingekommen war; seine Hände hatten seitlich an ihm herabgehangen. Aber der Blutstreifen an ihrem Mund – war der durch Dante dorthin gekommen? Seine Nase hatte schließlich geblutet.
War es wichtig, ob Dante sie geküsst hatte?
Die unerwartete Gefühlsverwirrung – Zweifel, Sehnsucht, Kummer – in ihrer Brust überraschte Heather. Ja, es war wichtig. Sehr sogar.
»Eins zu null für dich«, brummte Heather und senkte den Blick. »Aber er ist nicht mein Freund.« Seufzend schloss sie die Augen. Doch er war ein echter Freund und vielleicht auch mehr.
»Nicht dein Freund? Klar. Ich habe sein Gesicht gesehen, als er deinen Namen sagte. Ich habe bemerkt, wie er schaute, als er dich hereinkommen sah.« Annies Stimme war nur ein leises Flüstern. »Nichts anderes hatte mehr eine Bedeutung. Niemand sonst existierte. Nur du. «
»Annie … nein.«
Annie setzte sich auf dem schwappenden Bett auf und zog die Knie bis zur Brust hoch. »Diese Bilder von Mom – warum sind die hier?«
Heather betrachtete Annie. Sie hatte sich ganz klein und hart wie eine Faust gemacht. Fast schien sie vor Energie zu beben, als stünde sie unter Strom. Also manisch. »Ich versuche, ihren Mörder zu finden. Ich tue, was Dads Aufgabe gewesen wäre.«
»Wenn du den Kerl findest, der Mom ermordet hat, lass es mich wissen. Ich will ihm danken.«
Heather gab Annie den feuchten Waschlappen und stand auf. »Hier, mach dich noch ganz sauber, und dann solltest du schlafen.«
»Dad hat das Richtige getan, indem er diese Schlampe aus seinem Gedächtnis gestrichen hat. «
Heather starrte Annie an. In ihren Schläfen rauschte das Blut. Der Ratschlag von Annies Therapeuten tauchte vor ihrem inneren Auge auf wie ein Rettungsanker: Lassen Sie sich nicht von ihrer Theatralik einwickeln, lassen Sie Annie nicht die Oberhand. Zeigen Sie ihr, dass sie Ihnen viel bedeutet. »Wenn du etwas brauchst«, sagte sie, wobei ihre Stimme selbst in ihren eigenen Ohren angestrengt klang, »lass es mich wissen. Ich bin im Wohnzimmer. «
Annie warf sich auf den Rücken und rollte sich dann ein. Das Bett wogte und schaukelte. » Ja, ja. Leck mich.«
Heather holte tief Luft, verließ das Gäste- und ging ins Esszimmer. Dante saß im Schneidersitz auf dem Boden. Er hatte sich das Blut aus dem Gesicht gewaschen und las in der Akte über ihre Mutter. Die Tatortfotos lagen auf einem Stapel neben ihm. Die Glasscherben waren weggesaugt, und der zerbrochene Bilderrahmen war ebenfalls aufgeräumt. Das gerahmte Poster war ein Druck von Frederic Leightons »Flaming June«, der jetzt auf dem Esszimmertisch lag.
Heather merkte, wie die Anspannung in ihren Muskeln etwas nachließ, als sie Dante so unerwartet häuslich sah. Wenn sie an den unordentlichen Zustand seines Zimmers in New Orleans dachte, hätte sie nie angenommen, dass er so ordentlich sein konnte.
Er strich sich während des Lesens eine Haarsträhne hinters Ohr. Seine dunklen Brauen waren konzentriert zusammengezogen. Sie musste an die Aufnahmen denken, die sie aus seiner Akte kannte, auf denen Chloe ihm das Lesen beigebracht hatte, und ihr Herz verkrampfte sich.
»Das alles tut mir leid«, sagte sie und setzte sich neben ihn auf den Boden. »Annie ist manisch-depressiv …«
Dante hob den Blick und legte einen Finger an die Lippen. Dann wies er mit dem Kopf Richtung Gang.
Es war klar, was er damit sagen wollte: Sie hört uns zu.
Heather nickte. Sie wollte die Tür nicht schließen, da sie Angst davor hatte, was Annie dann anstellen konnte. Aus demselben Grund wollte sie auch in kein anderes Zimmer wechseln, wo sie außer Annies Hörweite gewesen wären. Sie fuhr sich mit den Fingern durchs Haar und fühlte sich auf einmal todmüde.
»Kümmerst nur du dich um sie?«, fragte Dante, wobei seine Stimme kaum lauter als ein Flüstern war.
»Meistens«, murmelte sie. »Mein Bruder lebt in New York, und mein Dad … na ja, den kann man vergessen. Annie wohnt meist allein, aber wenn sie so drauf ist … dann braucht sie mich.«
»Tut mir leid, chérie .«
Dantes Worte, seine Stimme, tief, warm und aufrichtig, berührten ihr Herz. Doch die kalte Luft, die durch das offene Fenster hereinkam und nach Regen und feuchten grünen Blättern roch, erinnerte sie daran, wie er in ihr Haus gekommen war.
Heather stand auf, ging raschen Schrittes
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