02 Nightfall - Rueckkehr des Engels
Dantes Kopf. Er versuchte, die Bilder festzuhalten, die gerade wie ein Blitz durch sein Bewusstsein geschossen waren, vermochte das letzte nicht zu fassen, konnte sich nicht einmal an den Namen erinnern, der wie eine Kerze in seinem Inneren aufgeleuchtet und genauso schnell wieder verloschen war.
Blut rann ihm aus der Nase, und er wischte es sich mit dem Handrücken weg. Zog die Nase hoch, schmeckte Blut. Schmerz bohrte sich wie ein Eispickel von hinten in sein linkes Auge. »Buße«, flüsterte er.
»Scheiße. Setz dich und leg den Kopf zurück«, sagte Von. »Du blutest.«
Dante schüttelte den Kopf. » Tracassé toi pas. Es geht mir gut.« Als er zum Tisch ging, bemerkte er Eli, Antoine und Jack, die sich hinter dem halboffenen Vorhang versammelt hatten
und ihn ernst beobachteten. Silver stand hinter ihnen, die Arme vor der Brust verschränkt, die violette Stachelfrisur vor Gel glänzend, die Miene nachdenklich. Dante hielt inne und wischte sich nochmals mit der Hand über die Nase. »Es geht mir gut«, wiederholte er. Ihre Mienen änderten sich nicht.
»Wie die Sau«, brummte Von, packte ihn am Arm, riss ihn zu sich und setzte ihn entschlossen auf den Sessel. »Kopf zurück, du renitenter Hurensohn.«
»Es ist nichts«, sagte Dante, gehorchte aber. Seine Schläfen kribbelten quälend, und hinter seinen Augen breitete sich ein Brennen aus. Er massierte sich den Nasenrücken. »Das verdammte Ding hat sie mir heute Abend gebrochen«, erklärte er.
»Heathers Schwester?«
»Ja. Sie verteilt fiese Kopfstöße.«
Von schnaubte. »Klingt, als müsste sie den Trick mal Heather beibringen.«
Dante stellte sich das vor und lächelte. »Du kannst mich mal.«
Von lachte. »Danke. Meine Arbeit ist getan.«
Der hinter Dantes Auge verhakte Eispickel glühte rot. Weiße Lichtschnörkel umrahmten sein Sichtfeld. Schweiß rann ihm über die Schläfen. Eine plötzliche Brise, die nach Kaneel und Haargel roch, wehte ihm entgegen, wodurch ihm einige Haarsträhnen aus dem Gesicht flogen. Silver. Von murmelte seinen Dank.
»Hier«, sagte er und legte Dantes Finger um eine kalte Kompresse.
»Brauchst du uns?«, fragte Silver. »Oder können wir weitermachen? «
»Die Show ist vorbei«, antwortete Dante und legte sich die Kompresse auf den Nasenrücken. »Danke.« Er setzte sich auf und musste plötzlich an Lucien denken, der das tobende Feuer in seinem Kopf mit einer Berührung löschen konnte.
»Hast du etwas von Lucien gehört?«, fragte er Von.
Der schüttelte den Kopf. »Keinen Ton.« Er sah Dante lange an, ehe er leise fragte: »Wirst du ihm je vergeben?«
»Ich weiß nicht.«
»Er hat verdammt großen Mist gebaut, aber du bedeutest ihm viel. Verdammt, er ist dein Vater.«
»Ja, das ist das Problem, nicht wahr?«
»Du musst dich mit ihm aussprechen, kleiner Bruder.«
»Vergiss es.«
»Dann musst du eben selbst daran denken«, sagte Von und ließ seinem Südstaatenakzent freien Lauf. »Ich glaube, ich werde mich jetzt mal im Publikum nach Typen in Trenchcoats und mit Sonnenbrillen umschauen. Nur für den Fall.«
Dante ließ die Kompresse sinken. Der himmelblaue Stoff war blutbefleckt. Er sah dem Nomad nach, der durch den Raum ging. Leder knarzte, und winzige Glöckchen klingelten, ehe er hinter dem Vorhang verschwand.
Fahrig stand Dante auf, trat zu dem Schminktisch und öffnete die halbleere Flasche Absinth. Er nahm sie am Hals und führte sie an die Lippen. Die Flüssigkeit roch nach Anis, Ysop, Wermut und versprochenen Antworten. Bisher hatte sie jedoch nur einige wenige Erinnerungssplitter an die Oberfläche getrieben, die sich schnell wieder seinem Zugriff entzogen hatten. Verdammt naturellement . Genau wie bei Heather.
Er hat dich auf die Welt gebracht und den Tod deiner Mutter angeordnet.
Dante wollte sich an den Namen und das Gesicht dieses Wichsers erinnern. Wollte beides in sein Gedächtnis eintätowieren. Er nahm einen großen Schluck Absinth. Er schmeckte wie Lakritz, süß und stark und ein wenig bitter, während er sich durch seinen Körper brannte. Sein Bewusstsein entflammte. Seine Muskeln entspannten sich.
Er stellte die Flasche wieder auf den Tisch, ohne sie loszulassen. Als der Absinth durch seine Adern floss, ließen die Schmerzen in seinem Kopf nach. Aber ein anderer erbarmungslos heftiger Schmerz trat stärker in sein Bewusstsein.
Warum leugnest du, was in deinem Herzen vorgeht?
Er sah seinem Spiegelbild in die geheimnisvollen, geweiteten Pupillen. »Weil ich ihm nicht trauen
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