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02 - Schatten-Götter

02 - Schatten-Götter

Titel: 02 - Schatten-Götter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Cobley
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hatte die Erden-Mutter oft in ihren Träumen zu ihr gesprochen, aber immer wie von weither … Dies war das erste Mal, dass sie direkt zu ihr sprach. Die Worte der Göttin dröhnten wie eine gewaltige Glocke in ihrem Kopf, die man sacht angeschlagen hatte, und Alael sah sich um. Sie stand am Rand eines ungeheuren Tales, dessen steile Flanken von gewaltigen Gipfeln und zerklüfteten Kämmen gekrönt wurden. Gleichmäßig umgegrabene, dunkelbraune Erde bedeckte die weite Ebene seiner Sohle. Fahle, dürre, menschliche Gestalten glitten in Dutzenden, ja Hunderten an ihr vorbei, hüpften durch die Luft, schlugen um sich, tauchten in die Erde ein und wieder auf, als befänden sie sich im Griff eines unsichtbaren Flusses, dessen Strömung sie mitriss. Dann bemerkte sie, dass hier und da vereinzelte Gestalten gegen diese Strömung ankämpften und versuchten, sich an Grasbüscheln oder herausragenden Felsvorsprüngen festzuhalten …
    Dies sind diejenigen, welche ihre Bürde nicht abwerfen …
    Während Alael zusah, zuckte ein strahlend grüner Funke von oben herab und traf einen der kämpfender Geister. Er erstarrte sofort in völliger Regungslosigkeit und stieg steil in die Luft empor. Alael folgte ihm mit dem Blick, bis er in dem schwarzen, leeren Gewölbe des Himmels verschwand.
    Sie verletzen noch immer mein Reich, weil sie wissen, dass ich mich nicht wehre… Doch wie sehr sehne ich mich nach Rache an dem Herrn des Zwielichts, dem Dieb der Ewigkeit… Sie wähnen, sie können seine Fragmente aussondern und so ihre armselige Macht behalten … Doch bald schon werden ihre Listen versagen! Und du wirst meine Klinge an seinem Hals sein …
    »Ich … das will ich nicht«, flüsterte Alael.
    Der Weg ist bereitet, und die Maskierten kennen ihre Ziele … Tochter, du wirst meine Klinge sein …
Der Boden klaffte unter ihren Füßen auf, und sie stürzte in die Finsternis hinab. Irgendwie verwandelte sich ihr Sturz in einen Lauf durch einen langen, schmalen Tunnel. Danach kletterte sie eine Strickleiter hinauf durch ein Loch, das sich verengte und zum verrottenden Stumpf eines Baumes wurde. Sie stieg hinaus und fand sich auf einer Waldlichtung wieder, wo Tauric auf einem Hügel stand und durch eine Lücke im Dickicht spähte. Sie folgte seinem Blick und sah in der Ferne Besh-Darok. Von den lodernden Mauern und Türmen stiegen dicke Rauchwolken empor.
    Rette sie!,
schrie sie ihn an.
Du musst sie retten!
    Doch Tauric drehte sich um und lief den Hügel hinunter zu einem großen, braunen Hengst. Als er aufstieg, bemerkte Alael, dass nun seine beiden Arme aus Metall waren. Er ritt an ihr vorbei, weg von der Stadt, und warf ihr einen traurigen, sehnsüchtigen Blick zu.
    Alael stürmte den Hügel hinauf, um besser sehen zu können, und fand auf der grasigen Kuppe einen geflügelten Helm, einen Speer und einen runden Schild. Hastig setzte sie sich den Helm auf, schob den Schild über den Arm, nahm den Speer und lief über den Hang auf Besh-Darok zu. Aber etwas hielt sie auf, packte sie und schüttelte sie Als sie aufwachte, blickte sie in die besorgten Gesichter von Äbtissin Halimer und Keren Asherol. »War es ein schlimmer Traum, Alael?«, fragte die Äbtissin.
    Sie nickte. »War es schwer, mich aufzuwecken?«, fragte sie.
    Keren lächelte sie ironisch an. »Allerdings …«
    »Sie hat zu mir gesprochen«, erklärte Alael unvermittelt.
    »Ich verstehe«, sagte die Äbtissin gedehnt. »Möchtet Ihr uns den Traum schildern?«
    Keren brachte zwei Stühle heran, während Alael alles berichtete, was geschehen war. Sie ließ nichts aus. Die Miene der Äbtissin blieb gelassen und gefasst, doch sie ließ Alael nicht aus den Augen, bis sie mit ihrer Geschichte am Ende war. Alael glaubte fast so etwas wie Gier in dem Blick der Frau zu erkennen, ein brennendes Interesse an ihren Worten, aber als sie mit ihrem Bericht fertig war, lehnte sich die Äbtissin nachdenklich zurück.
    »Vor der Invasion gab es eine Zeit«, begann sie nach einer Weile, »als höchstens eine von fünfzig Schwestern wahre Visionen erlebte. Die Priester der Wurzelmacht hatten solche mystischen Erfahrungen häufiger, fast als würde der Vater-Baum von dem Verlangen überquellen, seine Anhänger anzusprechen. Wir Schwestern vom Tempel blickten gewöhnlich auf die Brüder vom Baum herab, während wir sie insgeheim um ihren gesprächigen Gott beneideten.
    Wenn ich jedoch an all das denke, was passiert ist, und Euch von Euren Träumen reden höre, wiegt meine Furcht den Neid

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