02 - Tanz der Sehnsucht
nachdem ich mich zur Ruhe gesetzt hatte."
„Ohne Hannah würde Valentine Records doch gar nicht laufen." Roy sah wieder zum regenblinden Fenster hinüber und dachte an eine andere Frau.
„Was geht dir im Kopf herum, Roy?"
„Hmm?" Er brachte sich wieder in die Gegenwart zurück und hob seine Kaffeetasse. „Die Verkaufslisten sehen gut aus. Ich denke, du wirst mit den Ergebnissen am Ende des Steuerjahres zufrieden sein."
Daran zweifelte Edwin nicht, denn immerhin war Roy ein Pro
dukt seines Verstandes und seines Herzens. Nur ganz selten spürte er auch Zweifel, ob er seinen Sohn nicht zu sehr nach sich geformt hatte. „Du machtest auf mich nicht den Eindruck, als gingen dir Verkaufslisten im Kopf herum."
Roy entschied sich, die unausgesprochene Frage zu beantworten und ihr doch auszuweichen. „Ich mache mir viele Gedanken über die Show, die wir finanzieren."
Edwin lächelte verhalten. „Immer noch nervös wegen meines Riechers in diesem Fall?"
„Nein." Das konnte er mittlerweile ehrlich beantworten. „Ich glaube sogar, das Stück schlägt richtig ein. Und die Musik ist wunderbar. Wir müssen jetzt daran arbeiten, es als Album herauszubrin-
«
gen.
„Wenn es dir nichts ausmacht, würde ich bei diesem Projekt gern ein wenig mitmischen."
„Du weißt, dass du nicht fragen musst."
„Doch, das muss ich", berichtigte Edwin. „Du hast die Verantwortung, Roy. Weißt du, das ist ein Lieblingsprojekt von mir. Ich bin persönlich daran interessiert."
„Davon hast du nie gesprochen."
Edwin lächelte versonnen und begann mit seinem zweiten Kuchenstück. „Liegt eine Zeit zurück, eine lange Zeit. Hast du schon Madeline O'Hara kennengelernt?"
Roy runzelte die Stirn. Durchschaute ihn sein Vater so sehr? „Tatsächlich ..." Als der Summer auf seinem Pult ertönte, nahm er die Ablenkung ohne Verstimmung an. „Ja, Hannah?"
„Entschuldigen Sie die Störung, Mr. Valentine, aber ich habe hier eine junge Frau." Hannah konnte steinhart sein, doch über die durchnässte Gestalt vor ihr musste sie unwillkürlich lächeln. „Sie sagt, sie wolle Ihnen etwas übergeben."
„Nehmen Sie es bitte, Hannah."
„Sie möchte es Ihnen lieber persönlich geben. Ihr Name ist, ah ... Maddy."
Roy schwieg, fest entschlossen, sie abzuweisen.
„Maddy? Schicken Sie sie herein."
Vom Regen tropfnass, ihren Tanzbeutel und die eingehende Pflanze im Arm, betrat Maddy das Büro.
„Entschuldigen Sie die Stö
rung, Roy. Es ist nur so, dass ich es mir überlegt habe, und ich habe mich entschlossen, sie Ihnen zu geben, bevor sie mir eingeht. Ich bekomme immer diese Anfälle von Schuldgefühlen, wenn ich wieder eine Pflanze umgebracht habe, und ich dachte, Sie könnten mich davor bewahren. Würden Sie sie bitte nehmen?"
Edwin erhob sich, als sie an seinem Sessel vorbeiging, und sie hielt in ihrer überstürzten Erklärung inne. „Hallo." Sie lächelte ihn unge-zwungen an und bemühte sich, den Kuchen auf dem Tablett zu übersehen. „Ich störe, aber es ist wirklich eine Angelegenheit auf Leben und Tod." Sie stellte die nasse, vergilbte Pflanze auf die makellose Ei-chenplatte von Roys Schreibtisch. „Sagen Sie mir nicht, wenn sie eingeht, okay? Aber wenn sie überlebt, dann lassen Sie es mich wissen. Danke."
Und mit einem letzten aufblitzenden Lächeln trat sie ihren Rückzug an.
„Maddy." Jetzt, wo sie ihn einen Augenblick zu Wort kommen ließ, erhob sich auch Roy. „Ich möchte Ihnen gern meinen Vater vorstellen. Edwin Valentine. Madeline O'Hara."
Maddy wollte ihre Hand ausstrecken, ließ sie aber wieder sinken. „Ich bin völlig durchnässt", erklärte sie lächelnd. „Ich freue mich, Sie kennenzulernen."
„Sehr erfreut." Edwin strahlte sie regelrecht an.
„Setzen Sie sich."
„Oh, das geht wirklich nicht. Meine Sachen sind nass."
„Etwas Wasser hat gutem Leder noch nie geschadet." Und bevor sie weitere Einwände erheben konnte, nahm Edwin ihren Arm und führte sie zu einem der großen Sessel neben dem Schreibtisch. „Ich habe Sie schon auf der Bühne bewundert."
„Danke." Es beeindruckte sie überhaupt nicht, beinahe Zeh an Zeh mit einem der reichsten und einflussreichsten Männer des Landes zu sitzen. Sie fand sein Gesicht nur anziehend. Doch obwohl sie sich anstrengte, sie konnte auch nicht die kleinste Ähnlichkeit mit seinem Sohn feststellen.
Roy lenkte die Aufmerksamkeit auf sich. „Möchten Sie einen Kaffee, Maddy?"
Nein, er glich seinem Vater nicht. Roy hatte kantigere Züge, und er war
Weitere Kostenlose Bücher