02 - Tanz der Sehnsucht
verderben lassen."
„Ah, Monsieur Valentine."
„Jean-Paul." Roy begrüßte den Besitzer mit einem Nicken. „Ich habe keinen Tisch reservieren lassen, aber ich hoffe, Sie haben noch Platz für uns."
„Für Sie immer." Er musterte Maddy mit erfahrenem Blick. Nicht der für Monsieur übliche Typ, entschied Jean-Paul, aber ebenso reizvoll.
„Folgen Sie mir bitte."
Es war genau die Art von Restaurant, die Maddy als die von Roy bevorzugte vermutet hatte. Ein wenig gediegen, aber doch elegant, ein vornehmer Chic, ohne mondän zu sein. Die Pastelltöne der Wände und das gedämpfte Licht vermittelten zudem den Eindruck von Ent- spanntheit. Ein feiner Duft von Gewürzen lag in der Luft. Mit unverhohlener Neugier sah Maddy sich um. So viel Eleganz an einem so kleinen Ort, dachte sie. Aber gerade das machte einen großen Teil des Charmes von New York aus: Müll oder Glanz, es lag nur eine Stra-
ßenecke voneinander entfernt.
„Champagner, Mr. Valentine?"
„Maddy?" Roy hatte die Weinkarte in der Hand, doch er überließ Maddy die Entscheidung.
Sie schenkte dem Besitzer ein Lächeln, das dessen Meinung über sie um einige Grad klettern ließ. „Es ist immer schwer, zu Champagner Nein zu sagen."
Nachdem Roy die Bestellungen aufgegeben hatte, beendete Maddy ihre neugierige Musterung der anderen Gäste und wandte sich ihm mit einem Lächeln zu. „Ich habe mich gefragt, ob Sie noch einmal zur Probe kommen."
Er wollte nicht zugeben, dass er es gewollt hatte und sich regelrecht zwingen musste, sich von etwas fernzuhalten, das nicht sein Zuständigkeitsbereich war. „Es ist nicht nötig. Ich kann dem Stück selbst keine neuen Impulse geben. Meine Aufgabe ist die Erfolgsbilanz."
Sie betrachtete ihn ernst. „Ich verstehe."
Nachdenklich malte sie eine Linie auf das Tischtuch.
„Die Show muss einschlagen, damit Valentine Records das investierte Geld wieder herausholen kann. Und nur wenn sie einschlägt, lassen sich viele Plattenalben davon verkaufen."
„Sicher, aber die Show liegt ja in guten Händen."
„Nun, das sollte immerhin ein Trost für mich sein." Ihre gute Laune stieg sofort wieder, als der Champagner gebracht wurde. Rituale amüsierten sie immer, und so beobachtete sie das der Etikette entsprechende Verfahren: das Zeigen der Flaschenbeschriftung, das schnelle, gekonnte Offnen mit einem gedämpften Plop, der Probe-schluck und die Anerkennung. Der Champagner wurde in Sektkelche gegossen, und sie beobachtete sein spritziges Schäumen.
„Trinken wir auf Philadelphia." Sie hatte ihr Lächeln wiedergefunden, als sie ihr Glas hob.
„Philadelphia?"
„Die Premieren dort verraten meist das weitere Schicksal eines Stückes." Sie stieß mit ihm an und nahm dann langsam einen kleinen Schluck. Sie würde den Champagner ebenso kontrolliert genie-
ßen wie alle anderen Genüsse. Doch sie genoss dafür fast andächtig jeden Schluck. „Wunderbar.
Den letzten Champagner habe ich auf der Abschiedsparty von ,Suzanna's Park' getrunken, aber er war nicht annähernd so gut."
„Warum haben Sie es gemacht?"
„Was gemacht?"
„Aus der Show aussteigen."
Bevor sie antwortete, nippte sie noch einmal. Wie herrlich doch Champagner bei Kerzenlicht ist, dachte sie, und wie jammerschade, dass die Menschen so etwas nicht mehr wahrnehmen, wenn sie immer Champagner trinken können. „Ich habe alles, was ich konnte, in die Rolle hineingelegt und alles aus ihr herausgeholt. Es war einfach Zeit für eine Veränderung. Meine Füße sind unruhig, Roy, wie in der Geschichte von den ,Roten Schuhen'. Die roten Schuhe bekommen Gewalt über die Tänzerin, und sie muss nach ihrem Gutdünken tanzen."
Er hatte schon oft Unruhe bei Frauen
kennengelernt, die sich immer wieder veränderten, aber doch nie Zufriedenheit fanden. „Man könnte sagen, Sie langweilen sich schnell."
Etwas in seiner Stimme machte sie wachsam, doch sie konnte die Frage nur ehrlich beantworten.
„Ich langweile mich nie. Wie sollte ich auch? Es gibt so vieles, um sich daran zu erfreuen."
Tanz der Sehnsucht
„Es hat also bei Ihnen nichts mit einem Verlust von Interesse zu tun?"
Ohne den Grund dafür zu kennen, hatte sie das Gefühl, von ihm irgendwie geprüft zu werden. Oder prüfte er sich selbst? „Ich kann mich an nichts erinnern, an dem ich das Interesse verloren hätte.
Nein, das stimmt nicht. Es gab da dieses Tigerposter, ein riesiges, teures Stück. Ich musste es unbedingt haben. Und als ich es gekauft und nach Hause geschafft hatte, musste ich
Weitere Kostenlose Bücher