02 - Tanz der Sehnsucht
jede Bewegung beobachten zu können. Zusätzlich saßen der Inspizient und der Beleuchtungsmeister da, seine Assistenten, der Pianist, neben dem der Komponist nervös stand, samt einigen Technikern und demjenigen, der die Fäden des ganzen Stückes in der Hand hielt - der Regisseur.
Maddy, als Stripperin, und Wanda, in der Rolle der Maureen Core, einer Kollegin, hatten gerade ihren Dialog beendet. Der Pianist gab ihr den Einsatz, und plötzlich war Maddys Kopf wie leer gefegt.
„Maddy." Der Regisseur war mehr für sein Können als für seine Geduld bekannt.
Sie stieß eine Reihe saftiger Flüche aus, die sie nur für Patzer auf der Bühne benutzte.
„Entschuldigung, Don."
„Du gibst nur fünfzig Prozent, Maddy, ich verlange von dir aber mindestens hundertzehn."
„Du bekommst sie." Sie rieb sich über den verspannten Nacken. „Gib mir vorher eine Minute, okay?"
„Fünf", entgegnete er schneidend.
Maddy ging links von der Bühne und ließ sich auf eine Kiste in den Kulissen fallen.
„Probleme?" Wanda setzte sich neben sie, wobei sie sich mit einem Blick umsah, der dazu bestimmt war, jeden anderen auf Sicherheitsabstand von ihnen zu halten.
„Ich hasse es, Proben durcheinanderzubringen.
Es ist mir sehr unangenehm."
„Ich stecke normalerweise meine Nase nicht in die Angelegenheiten anderer Leute. Aber ..."
„Es gibt immer ein Aber."
„Seit ungefähr einer Woche läufst du nur auf drei Zylindern. Meiner Meinung nach bist du reif für einen Stimmungsaufschwung."
Maddy stützte das Kinn auf die Hand. „Warum müssen Männer solche gemeinen Kerle sein?"
„Aus dem gleichen Grund, aus dem der Himmel blau ist, Schätzchen. Sie wurden so gemacht."
Zu jeder anderen Zeit hätte sie gelacht. Jetzt nickte sie nur grimmig. „Wahrscheinlich ist es klüger, wenn man sie einfach links liegen lässt."
„Verdammt klüger", stimmte Wanda ihr zu.
„Allerdings fehlt dann der Spaß. Macht dein Freund dir Schwierigkeiten?"
„Er ist nicht mein Freund." Stirnrunzelnd betrachtete Maddy die Spitze ihres Schuhs. „Aber er macht mir Schwierigkeiten. Was würdest du tun, wenn ein Mann dich küsst, als sollte es zwanzig Jahre dauern, und dich plötzlich von sich stößt, als hättest du ihm niemals auch nur das Geringste bedeutet?"
„Dann kannst du ihn vergessen. Oder du gibst ihm noch eine Chance und siehst zu, dass er den Köder schluckt."
„Aber ich will niemanden ködern."
„Du bist es doch selbst, geködert und am Haken baumelnd. Vielleicht solltest du jetzt einfach nur daran denken, was du eigentlich willst. Ist er es?"
Missmutig zuckte Maddy die Schultern und hasste sich gleichzeitig für ihre Gereiztheit. „Möglich."
„Lass dich von Mary, deiner Stripperin, belehren.
Laufe dem nach, was gut für dich ist."
Das klang so leicht. „Ich weiß aber trotzdem nicht, wie ich mich ihm gegenüber verhalten soll."
„Stelle ihn, kreuze so oft bei ihm auf, bis er sich bekennt."
„Und du meinst, ich sei so unwiderstehlich?"
„Das weißt du erst, wenn du es ausprobiert hast."
Wanda ließ nicht locker.
Nachdenklich fuhr sich Maddy über die Wange.
Dann erhob sie sich und nickte. „Du hast recht. Du hast völlig recht. Und jetzt bin ich so weit, Don hundertzehn Prozent zu geben."
Wieder gingen sie den Dialog durch, doch dieses Mal gelang es Maddy aus sich heraus, ihrer Rolle Biss zu geben. Und als der Pianist die Orientierungsnote für ihren Song anschlug, da gab sie alles. Als sie in den Blicken der Tänzer eine Mischung aus Anerkennung und Neid entdeckte, hatte sie schon wieder ganz zu ihrem
Selbstbewusstsein und Temperament gefunden.
Wieder und wieder wurde die Szene geprobt, wobei hier und da gestrafft und einige Änderungen vorgenommen wurden. Der Beleuchtungsmeister und der Inspizient steckten die Köpfe zusammen, und noch einmal wurde die Szene durchlaufen.
Zufrieden - für den Augenblick - gingen sie dann zur nächsten Szene über. Maddy bekam eine kleine Pause, kippte einen Orangensaft hinunter und aß hastig einen Joghurt ... und schon ging es weiter.
Es war schon dämmrig, als Maddy das Theater verließ. Einige Tänzer gingen in ein Lokal in der Nähe, um sich zu entspannen und abzuschalten.
Normalerweise hätte sich Maddy ihnen gern angeschlossen. Doch heute, spürte sie, hatte sie zwei Möglichkeiten: Sie könnte nach Hause gehen und ein heißes Bad nehmen, oder sie könnte Roy stellen.
Klüger wäre es, nach Hause zu gehen. Der letzte Durchlauf hatte ihre Energiereserven
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