02 - Tanz der Sehnsucht
aufgezehrt.
Außerdem, eine Frau, die einem desinteressierten Mann nachlief, zeigte sowieso einen
erschreckenden Mangel an gesundem
Menschenverstand.
Es gab genügend andere Menschen, Menschen, die mit ihr in ihren Interessen und Zielen übereinstimmten und die unkompliziertere Begleiter abgaben. Es war ja schließlich nicht so, als würden Männer sie anblicken und dann in die
entgegengesetzte Richtung laufen. Die meisten mochten und schätzten sie, so wie sie war. Wenn sie wirklich wollte, konnte sie problemlos in angenehmer Gesellschaft den Abend verbringen.
Sie betrat fünf Telefonzellen, bis sie eine fand, in der noch ein Telefonbuch vorhanden war. Nur einfach einmal nachsehen, sagte sie sich selbst, als sie Roys Namen suchte. Nachsehen schadete nie etwas.
Natürlich, er lebte in einem reinen Wohnviertel.
Central Park West - also an die fünfzig Straßenecken von hier entfernt.
Sie könnte in Central Park West nicht leben, weil sie es nicht verstand. Sie verstand das Village, sie verstand Soho, sie verstand das Theaterviertel.
Sie und Roy hatten nichts Gemeinsames, und sie machte sich selbst zur Närrin, wenn sie etwas anderes annahm. Sie ging los und redete sich dabei ein, sie gehe nach Hause, um ein heißes Bad zu nehmen und es sich mit einem Buch im Bett gemütlich zu machen. Sie hatte doch sowieso nie einen Mann in ihrem Leben gewollt. Männer stellten Forderungen und komplizierten alles. Sie hatte genug mit Tanz- und Rollenstudium zu tun, da konnte sie nicht auch noch an eine Beziehung denken.
Maddy stieg die Treppe in den U-Bahn-Schacht hinunter. Aus der Tiefe ihrer Tasche fischte sie die Metallmarke heraus, mit der sie durch die Sperre kam. Während sie durch das Drehkreuz zu der Bahn ging, die sie zu Manhattans Wohnviertel brachte, hielt sie sich immer noch eine Standpauke.
Es wäre doch klüger gewesen, erst anzurufen, fand Maddy, als sie vor dem imposanten Gebäude, in dem Roy seine Wohnung hatte, stand. Womöglich war er nicht da. Schlimmer, womöglich war er da, aber nicht allein.
Eine Frau in einer Hose aus Naturseide schlenderte mit zwei Pudeln an Maddy vorbei, ohne auch nur einen Blick auf sie zu werfen. So war hier die Nachbarschaft, überlegte Maddy. Seidenhosen und Pudel. Sie selbst war eine
Promenadenmischung aus bequemen Jeans und ausgetretenen Turnschuhen. Sie hätte wenigstens vorher nach Hause gehen und sich umziehen können.
Nun hör dir das selbst einmal an, befahl sich Maddy. Du stehst hier und führst Klage über Kleidung. Das ist Carries Masche, aber es ist noch nie deine gewesen. Außerdem ist das, was du anhast, gut genug für dich ... Es ist gut genug für die Menschen, die du kennst. Wenn es nicht gut genug für Roy Valentine ist, was machst du dann überhaupt hier?
Das weiß ich nicht, gab sie sich zur Antwort. Ich bin ein Idiot.
Keine Widerrede hierbei.
Sie holte tief Luft, öffnete die weite Glastür und betrat die ruhige, mit Marmorboden ausgestattete Eingangshalle.
Seit Jahren war Maddy Schauspielerin. Sie lächelte, warf ihr Haar zurück und schlenderte hinüber zu dem uniformierten Portier beim Empfang.
„Guten Abend. Ist Roy zu Hause? Roy Valentine?"
„Tut mir leid, Miss. Er ist heute Abend noch nicht zurückgekommen."
„Oh." Sie bemühte sich, sich das Ausmaß ihrer Enttäuschung nicht anmerken zu lassen. „Macht nichts, ich war gerade in der Nähe."
„Ich übergebe ihm gern eine Nachricht, Miss ..."
Als er sie ansah, wirklich ansah, bekam er plötzlich große Augen. „Sie sind Madeline O'Hara."
Es war sehr selten, dass sie außerhalb des Theaters erkannt wurde. Maddy wusste es besser als sonst irgendjemand, wie anders sie auf der Bühne erschien. „Ja." Automatisch reichte sie ihm die Hand.
„Oh, das ist aber eine Freude." Der Mann umfasste ihre Hand mit beiden Händen. „Meine Frau wollte etwas Besonderes zu unserem Hochzeitstag, da haben uns die Kinder Karten für .Suzanna's Park'
besorgt. Das war ein wunderbarer Abend." Als er lächelte, zeigte er einen Goldzahn. „Miss O'Hara, ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie gut Sie uns gefallen haben. Meine Frau meinte sogar, bei Ihrem Auftritt habe sie gemeint, die Sonne gehe auf."
„Danke." Solche Komplimente entschädigten für das jahrelange Balletttraining, für die harten Proben und die verspannten Muskeln. „Vielen Dank."
„Am besten hat uns eine ganz bestimmte Stelle gefallen. Wissen Sie, die eine Stelle - Himmel, meine Frau hat richtig heulen müssen als Sie dachten, Peter sei
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