02 - Tanz der Sehnsucht
mich ihm gegenüber auch nicht viel besser verhalten." Edwin legte eine Hand auf ihr Haar. Er hatte nicht gewusst, wie entlastend es sein konnte, nach all den Jahren laut darüber zu reden.
„Ich musste einfach weg. Ich habe also den Nachbarn Geld gegeben und Roy bei ihnen gelassen. In der Folgezeit habe ich versucht, Geld für Valentine Records aufzutreiben. Bis ich Ihre Familie getroffen hatte, habe ich nicht einmal ans Zurückkommen gedacht. Und das kann ich mir selbst kaum verzeihen."
„Sie waren verletzt. Sie ..."
„Roy war verstört. Ich hatte überhaupt nicht daran gedacht, welche Wirkung das auf ihn haben könnte.
Ich habe mich selbst in die Arbeit gestürzt und einfach alles, was ich zurückgelassen hatte, verdrängt. Dann habe ich Ihre Eltern getroffen."
„Und Sie schliefen auf einer Liege in ihrem Hotelzimmer."
„Ich schlief auf einer Liege und habe beobachtet, welche Liebe Ihre Eltern füreinander und für ihre Kinder hatten. Es war, als wäre plötzlich ein Vorhang zur Seite gezogen worden, um mich sehen zu lassen, was Leben wirklich bedeutete, was das wirklich Wichtige war. Ihr Vater ist mit mir in eine Bar gegangen, und ich habe ihm alles erzählt. Der Himmel weiß, warum."
„Mit Dad kann man leicht alles besprechen."
„Er hat sich alles angehört, war einigem gegenüber mitfühlend, aber doch nicht so absolut, wie ich es meiner Meinung nach verdient hätte."
Nach all den vergangenen Jahren konnte Edwin bei der Erinnerung sogar wieder leise auflachen. „Er hatte einen Whisky in der Hand, den er in einem Zug hinunterstürzte. Dann schlug er mir auf die Schulter und sagte mir, ich hätte einen Sohn, an den ich denken müsse und zu dem ich zurückgehen solle.
Er hat recht gehabt. Und
ich habe nie vergessen, was er für mich getan hat, nur dadurch, dass er mich die Wahrheit hat sehen lassen."
Sie nahm seine Hände und hielt sie fest. „Und Roy?"
„Er war mein Sohn, war es immer gewesen und wird es immer sein. Ich fuhr also zurück. Er spielte ganz allein im Hof. Dieser Junge, noch nicht einmal sechs, sah mich mit den Augen eines Erwachsenen an." Erneut spürte er wieder ganz heftig seine damalige Erschütterung. „Niemals werde ich diesen Augenblick aus meinem Gedächtnis löschen können, denn ich sah, was seine Mutter und ich ihm angetan hatten."
„Sie haben keinen Grund, sich Vorwürfe wegen Ihrer damaligen Entscheidung zu machen. Nein", fügte sie hinzu, bevor Edwin sie unterbrechen konnte. „Ich habe Roy und Sie zusammen gesehen.
Sie haben keinen Grund, sich Vorwürfe zu machen."
„Ich habe damals alles getan, um es an ihm wiedergutzumachen. Und tatsächlich ist es mir ziemlich leichtgefallen, das Verhalten seiner Mutter zu vergessen. Roy hat es nie vergessen. In ihm steckt immer noch die ganze Bitterkeit, Maddy, die ich in seinem Blick gesehen habe, als er knapp sechs Jahre alt war."
„Was Sie mir erzählt haben, hilft mir, vieles zu verstehen. Aber ich weiß trotzdem nicht, was ich tun kann, Edwin."
„Sie lieben ihn doch, nicht wahr?"
„Ja, ich liebe ihn."
„Sie haben ihm schon etwas gegeben. Er hat begonnen, jemandem zu vertrauen. Nehmen Sie ihm das jetzt nicht."
„Er will nicht, was ich ihm zu geben habe."
„Er wird. Sie dürfen nur jetzt nicht aufgeben."
Sie erhob sich und legte die Arme um ihren eigenen Körper. Dann wandte sie sich ab. „Sind Sie sicher, dass ich es bin, die er braucht?"
„Er ist mein Sohn." Als sie sich langsam wieder umdrehte, erhob sich Edwin. „Ja, ich bin sicher."
Er konnte nicht schlafen. Fast hätte Roy dem Drang nachgegeben, sich mit einer Flasche Scotch Erleichterung zu verschaffen. Doch Unglück, entschied er, ist eine bessere Gesellschaft.
Er hatte Maddy verloren. Weil sie sich nicht gegenseitig annehmen konnten, wie sie waren, hatte er sie verloren. Oh, ihr würde es ohne ihn besser gehen. Dessen war er sich sicher. Und doch war sie das Beste, was ihm je widerfahren war.
Morgen fährt sie nach Philadelphia, redete er sich zu. Am besten wäre, es zu vergessen und die Durchführung des Musicals und die Fertigstellung des Albums seinem Vater zu übergeben. Er würde sich einfach davon zurückziehen und sich so von allen Erinnerungen an Madeline O'Hara befreien.
Das Läuten an der Tür überraschte ihn. Er hatte nicht häufig Besuch nachts um eins. Ich will keine Besucher, dachte er und ignorierte das Läuten.
Doch es hielt einfach an. Verärgert riss Roy schließlich die Tür auf, mit dem Entschluss, denjenigen, der
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