02 - Tanz der Sehnsucht
würde es nie laut sagen, dass alles perfekt geklappt hatte, dazu waren Schauspieler vor der Premiere zu abergläubisch.
Aber sie konnte es denken.
Morgen Abend. Morgen Abend zu dieser Zeit sitze ich in der Garderobe, dachte sie, und ihr Puls schlug etwas schneller. Noch vierundzwanzig Stunden. Sie legte sich auf den Rücken und starrte an die Decke.
Wie sollte sie nur die folgenden vierundzwanzig Stunden überstehen?
Roy hatte sie nicht wieder angerufen. Maddy legte den Kopf zur Seite und betrachtete das Telefon. Seit sie in Philadelphia war, hatten sie ein paar Mal miteinander telefoniert, und jedes Mal hatte sie das Gefühl gehabt, Roy wolle sich von ihr distanzieren.
Vielleicht war es jetzt so weit. Tänzern war Schmerz nicht unbekannt. Man fühlte ihn, bekannte sich dazu und arbeitete weiter. Mit Schmerzen, die aus dem Herzen kamen, war zwar etwas schwieriger umzugehen als mit einem gezerrten Muskel, aber sie würde weitermachen. Weitermachen. Sie war immer stolz auf sich gewesen, das zu können.
Ihre Familie war hier. Maddy erhob sich vom Bett und ging zum Schrank. Sie würde sich umziehen, ihr strahlendstes Gesicht aufsetzen und mit ihrer Familie in die Stadt gehen. Nicht jeder ist so glück lieh wie ich, erinnerte sich Maddy. Sie hatte immerhin eine Familie, die sie liebte, die hinter ihr stand und die an ihrer Art nichts auszusetzen hatte.
Sie hatte eine Karriere, die aufwärtsging. Und selbst wenn sie die verlieren würde, das Tanzen konnte ihr niemand nehmen. Selbst wenn sie wieder wie früher in Clubs oder an kleineren Theatern oder während der Sommerpause auftreten müsste, wäre sie immer noch glücklich.
Maddy O'Hara brauchte keinen Mann, um ihr Leben zu vervollständigen, weil ihr Leben vollständig war. Sie brauchte keinen Ritter, der sie von alldem wegriss. Sie war gern, wo sie war und wer sie war.
Seufzend lehnte sie sich gegen die Schranktür.
Nein, sie brauchte Roy nicht, um sie zu retten oder zu beschützen. Aber wenn er sich aus ihrem Leben stehlen würde, wäre sie wahrscheinlich der unglücklichste Mensch auf Erden. Sie brauchte seine Liebe.
Und - auch wenn er es sicher nicht verstehen würde
- sie brauchte es, dass er zuließ, von ihr geliebt zu werden.
Als es an der Tür klopfte, rappelte sich Maddy aus einem Zustand hoch, der einer Depression gefährlich nahekam. „Wer ist da?"
„Ich bin's, Alana."
Ohne sich erst Zeit zu nehmen, den Gürtel ihres Bademantels zu schließen, eilte Maddy zur Tür, vor der Alana, schon umgezogen, in einem weißen Kleid stand.
„Oh, du bist schon fertig. Ich habe noch nicht einmal angefangen."
„Ich habe mich früher umgezogen, um noch herunterkommen und mit dir reden zu können."
„Bevor du anfängst, muss ich dir erst einmal sagen, wie wunderbar du aussiehst. Vielleicht liegt es an Dorian, vielleicht liegt es an der Landluft, aber du hast nie besser ausgesehen."
„Vielleicht liegt es an der Schwangerschaft."
„Was?"
„Ich habe es kurz vor der Abreise erfahren. Ich bekomme noch ein Baby."
„O Alana, das ist wunderbar. Ich glaube, ich muss weinen!"
„Okay, dann setzen wir uns so lange hin."
Ohne Erfolg suchte Maddy ein Taschentuch in der Tasche ihres Bademantels. „Und wie hat Dorian reagiert?"
„Überwältigt." Alana lachte, als sie sich beide auf den Rand des Bettes setzten.
„Und du wirst dich von jetzt an schonen. Nicht mehr den Stall ausmisten oder so etwas. Ich meine es ernst, Alana", fuhr sie fort, bevor ihre Schwester sie unterbrechen konnte. „Ich werde Dorian eine Standpauke halten."
„Das brauchst du nicht. Er würde mich am liebsten für die nächsten Monate in Watte hüllen.
Aber dafür sind wir nicht geschaffen, Maddy, das weißt du genau. Wir O'Hara-Drillinge sind aus einem anderen Holz geschnitzt."
„Wahrscheinlich, aber du kannst eine langsamere Gangart einlegen." Sie nahm ihre Schwester in die Arme und drückte sie an sich. „Ich freue mich so für dich."
„Ich weiß. Aber jetzt bist du an der Reihe." Alana setzte sich entschlossen zurück. „Carrie hat mich angerufen und mir gesagt, du würdest dich wegen eines Mannes verrückt machen."
„Ich mache mich nicht verrückt. Das ist nicht meine Art."
„Wer ist es?"
„Er heißt Roy Valentine."
„Valentine Records?"
„Ja. Woher weißt du das?"
„Ich halte mich immer noch etwas über die Musikbranche auf dem Laufenden. Und Dorian hat vor einiger Zeit mit ihm wegen eines Buches zu tun gehabt."
„Stimmt. Roy hat es
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